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Öffentliche Bäder in BerlinRevierstreitigkeiten im Becken

Die Berliner Bäder-Betriebe wollen strenger gegen privates kommerzielles Schwimmtraining in ihren Becken vorgehen. Die Trainer sind irritiert.

Wäre es schlimm, wenn hier noch ein privater Schwimmlehrer seine Bahnen ziehen würde? Stadtbad Neukölln Foto: dpa

Das Schreiben vom 17. Februar schlug, so viel Wortspiel sei erlaubt, hohe Wellen. In dem Brief, den die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) an alle BadleiterInnen und Beschäftigten schickten, hieß es: Privater Schwimmunterricht durch gewerbliche Personal Trainer sei in den Schwimmhallen verboten – es sei denn, der Trainer stellt einen gesonderten Antrag auf Wasserzeiten und zahlt eine Bahnmiete.

Eine alte Regelung, eigentlich. Seit Jahren steht sie so in der Hausordnung. Aber eine, die, so sagen Kritiker des Verbots, in der Praxis kaum angewendet worden sei.

„Personal Training wurde mindestens zehn Jahre lang geduldet, mit dem Wissen der Badleiter“, sagt Alexander Steinhart. Steinhart ist der Personal Trainer, der sich öffentlich gegen das Verbot wehrt; sein Name wandert durch die Medien. „Jeder Bürger hat doch das Recht, selbst zu wählen, bei wem er Schwimmunterricht nimmt. Die Bäder nutzen ihre Monopolstellung aus, um Konkurrenz auszuschalten“, sagt er.

„Das Verbot steht zwar in der Hausordnung, aber Personal Training wird seit Ewigkeiten geduldet“, sagt auch Bianca Tchinda, die den kritischen Schwimm-Blog Berlin betreibt. Bädersprecher Matthias Oloew widerspricht: Es gebe viele Personal Trainer, die seit Langem regulär Anträge stellten.

Massive Beschwerden

Warum dann das Schreiben? Anlass seien massive Kundenbeschwerden, so Oloew. „Personal Training ist ein zunehmender Trend. Es werden Bahnen belegt, und die Schwimmer gliedern sich nicht in den normalen Schwimmbetrieb ein; wir bekommen jeden Monat fünf oder zehn Beschwerdebriefe von Kunden. Unsere Gäste fühlen sich durch Personal Training gestört.“ Außerdem, so Oloew, gehe es ums Prinzip: „Personal Training braucht mehr Wasserfläche und verfolgt einen gewerblichen Zweck, aber die Trainer beteiligen sich nicht an den Kosten fürs Bad.“

Steinhart argumentiert dagegen: Er habe in der Regel einen oder zwei Schüler, die brauchten nicht mehr Wasserfläche als jeder andere. Dass er jetzt für einen einzigen Schwimmer eine Bahn mieten solle, sei „nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch nicht sinnvoll“. Und bei Gruppen sei eine Bahnmiete längst Standard.

Baden gehen mit Anleitung

Die Berliner Bäder-Betriebe sind nach eigener Aussage der größte Bäderbetreiber Europas. Sie beschäftigen laut den letzten Geschäftszahlen von 2015 rund 750 Mitarbeiter und erhalten vom Land einen Haushaltszuschuss von etwa 50 Millionen Euro im Jahr.

Personal Training kann für Einzelpersonen, aber auch für Gruppen durchgeführt werden. Ein Einzeltraining kostet etwa 30 bis 60 Euro pro Trainingseinheit (45 Minuten). Wer Personal Training nutzt, sollte darauf achten, einen qualifizierten Trainer mit Lizenz zu engagieren. Nicht alle Angebote sind vertrauenswürdig.

Offizielle Zahlen über Personal Trainer in Berlin gibt es nicht, auch keinen Berufsverband. Die Bäder berichten aber von einer Zunahme des Angebots. (asc)

Juristisch hat er mit seinem Vorstoß wohl schlechte Karten: Der Bundesverband öffentlicher Bäder empfiehlt ein Verbot von Personal Training. In einem Streit um privates Schwimmtraining 2011 in Mülheim setzten sich die Bäder durch. Kritik gibt es trotzdem: Von Trainern – und von Kunden.

Denn Personal Training ist ein Angebot nicht nur für ambitionierte Medaillenhechte, sondern auch für Menschen, die die Kurse der Berliner Bäder-Betriebe nicht wahrnehmen können oder wollen. „Zum Beispiel, weil sie im Schichtdienst arbeiten oder ein Handicap haben. Für diese Menschen ist privater Schwimmunterricht ex­trem wichtig“, so Bianca Tchinda. „Es zu verbieten ist eine Unverschämtheit.“

Eine Bahnmiete von 30 oder 60 Euro je nach Bahnlänge sei für viele zusätzlich zum Trainingspreis nicht bezahlbar. Und den neutralen Schwimmern nehme eine unnötig gesperrte Bahn den Platz weg. Normales Personal Training dagegen habe sie persönlich bislang nie gestört.

Manchmal braucht es aber wirklich jeden Kubikzentimeter Platz im Becken Foto: dpa

Oloew sagt, die Klage von Kunden, die auf Personal Training angewiesen seien, sei legitim. „Aber man kann Angebote nur machen, wenn Platz im Becken ist.“ Dass es wirklich nur um Platz geht, bezweifelt zumindest die Gegenseite. Tchinda und Steinhart vermuten, der eigentliche Grund sei die Konkurrenz, die durch den Trainermangel bei den Bäder-Betrieben bedingt sei.

Bäder-Manager Detlef Lüke habe ihn gefragt, ob er nicht Training im Auftrag der Bäder geben wolle, so sagt es Steinhart. „Bei dem Verbot geht es nicht um Kundenbeschwerden, es geht nur um Geld.“ Lüke habe gesagt, den Bädern fehlten rund 30 Trainer. Die BBB wollten das nicht kommentieren.

Grundsätzliche Konkurrenz

Dass es eine grundsätzliche Konkurrenz gebe, streitet Matthias Oloew nicht ab. „Natürlich spielt es eine Rolle, dass wir das gleiche Angebot machen. Die Bäder sind hochdefizitär, wir sind angehalten, so viel Umsatz wie möglich zu machen. Wir können doch nicht sagen: Wir verzichten auf die Einnahmen und lassen alles von Personal Trainern machen.“

Allerdings gibt es bei vielen Schwimmkursen Wartelisten. Es wäre wohl genug Nachfrage für beide Angebote da. Ganz verbieten will man den Privatunterricht dann auch nicht, aber offenbar die Trainer an die Bäder-Betriebe binden.

„Wir arbeiten an einem Konzept, was die Zusammenarbeit mit Personal Trainern angeht, mit Tarifen und eventuell vertraglicher Bindung“, sagt Matthias Oloew. Es sei aber noch nichts spruchreif. Alexander Steinhart sagt, er sei bereit, eine Monatspauschale zu zahlen, will aber keinen Vertrag: „Das klingt, als wolle man uns zwingen, für die Bäder zu arbeiten.“ Bis es so weit ist, hat er noch andere Sorgen: Nach dem Schreiben Mitte Februar habe er den Forderungen gemäß einen Antrag gestellt. Der sei bis heute nicht bewilligt worden.

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2 Kommentare

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  • Soweit ich den Artikel verstanden habe, liegen den BBB Anträge vor, auch von besagtem Trainer, die nicht bearbeitet werden: Geld will ja bezahlt werden, nur geht das eben nicht ohne eigene Satzung dafür. Wäre es nicht logischer und gerechter gewesen von den BBB, sich eine Regelung zu überlegen, die angewendet werden kann auf die Privattrainer und auf das Verbot zu verzichten? Dadurch dass ein Verbot jahrelang geduldeter Praxis erteilt wurde ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage dieser Personal Trainer, stehen diese natürlich vor dem wirtschaftlichen Aus. Je länger das Verbot des Zutritts dauert, desto näher rückt die Insolvenz. Das ist doch ungerecht.

     

    Ganz abgesehen davon ist es auch ein Unding, wie mit den Privatschülern umgegangen wird. Ich selbst nehme seit ca. 5 Jahren ab und zu Privatunterricht. Um schwimmen zu lernen, muss ich natürlich in ein Berliner Bad. Vom Monopolisten BBB wurde die bisherige Praxis über Jahre geduldet. Plötzlich kam dann das Verbot mit folgenden haltlosen Begründungen: a) Privatschüler würden ganze Bahnen blockieren, was absolut nicht stimmt. Man merkt gar nicht, dass ich eine Schülerin bin. Ich reihe mich ganz normal in die Bahn mit ein. Einziger Unterschied: Der Trainer geht am Beckenrand auf und ab. Mir scheint es fast so, anstatt irgendetwas tatsächlich in den BBB zu verbessern (Öffnungszeiten, weniger Vereinsmeierei, Durchsetzung der Hausordnung gegen Rowdys etc.), zeigt man auf die Trainer und sagt: Die sind schuld! Die nehmen uns die Wasserfläche weg (was bewusst falsch) ist. Trainer Raus! Schüler gleich mit! Bezahlen! Wo wir bei Punkt b) wären: Bezahlen. Wie soll denn der Trainer bezahlen, wenn es keine eigene Trainertarifsatzung gibt und dies bisher auch nicht eingefordert wurde. Ist doch unlogisch. Die Idee, ganze Bahnen für jeweils nur einen Schwimmer anzumieten, ist jedenfalls so absurd, dass sie ganz klar aufzeigt, dass das Argument der Bahnblockierung durch Privatschwimmer nur vorgeschoben ist.

  • Wenn sich außer Herrn Steinhart niemand öffentlich wehrt gegen die (Wieder-)Anwendung der Hausordnung in den Berliner Bädern, könnte das daran liegen, dass die anderen Nutznießer dieser Art der "Wirtschaftsförderung" wenigstens ein schlechtes Gewissen haben. Ein Unrecht wird ja nicht deswegen zu Recht, weil es über Jahre hinweg toleriert wird.

     

    Die "Konkurrenz", die Steinhart sieht, ist nur in seinem Kopf. Zwischen ihm und Berlin gibt es zwei wesentliche Unterschiede:

     

    A) Stadtbäder werden nicht "frei" finanziert, sondern aus Steuergeldern. Es ist deswegen Aufgabe der Abgeordneten zu entscheiden, wer Nutzen ziehen darf aus dem, was Bürger unfreiwillig abgeben von ihrem Geld. Das dauert, klar. Die Hierarchien sind nicht flach in den Verwaltungen. Sehr viele Leute wollen mitbestimmen. Die aktuelle Selbstbedienungsmentalität macht das Problem aber nicht kleiner sondern größer.

     

    B) Die Stadt darf keine Gewinne machen. Steinhart schon. Aufgabe der Stadt ist die Daseinsvorsorge für alle. Steinharts Aufgabe ist die Erwirtschaftung eines Privatprofits. Es ist nicht einzusehen, wieso die Bürger "zubuttern" sollten, damit Steinharts Gewinn höher ausfällt.

     

    Wer in einem Haus, das ihm nicht gehört, einen Döner-Imbiss, ein Tattoo-Studio oder eine Boutique betreibt, muss Miete zahlen. Steinhart will sparen. Er möchte seine Angebote vom Steuerzahler quasi subventionieren lassen – und zugleich frei von allen Stadtregeln sein. Das ist nicht fair. Wenn das nun jeder machen würde? Nur den Gewinn zu privatisieren, die Kosten aber auf die Allgemeinheit abzuwälzen, ist eine "Unverschämtheit" sondergleichen, wenn auch eine sehr übliche.

     

    Der aktuelle Zeitgeist lehrt: Wer unverfroren genug ist und nicht mit Gewalt daran gehindert wird, der kann sich heute quasi dazu aufgefordert fühlen, öffentliche Gelder auf sein privates Konto umzuleiten, ohne auch nur gewählt zu sein oder darum zu bitten. Ich finde das nicht gut. Steinharts stille Kollegen offenbar auch nicht.