ÖRR vor den Wahlen im Osten: Besäufniserregende Unsicherheit
AfD und BSW haben jeweils Hämmer für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland im Programm. Der setzt derweil auf Schorsch Kamerun.
N ur noch ein paar Tage bis zur Landtagswahl in Sachsen und Thüringen! „Die Lage ist besäufniserregend“, plakatierte Die Partei und empfiehlt schon mal prophylaktisch: „Am Wahltag in die Urne kotzen.“ Wer sich für Umfragen interessiert, sieht viel blaues Braun. Und selbst die Hanns-Seidel-Stiftung hat gemerkt, dass Staatsverträge in Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk kündbar sind.
Benjamin Hahn, Experte für Verfassung, Europäische Integration und Innere Sicherheit, hat das in einem Papier für die CSU-nahe Stiftung jetzt mal zusammengefasst. Wie lustig! Zunächst wurde vor dieser Problematik eher aus der linken Ecke gewarnt. Jetzt ist sie endlich auch bei den Konservativen angekommen. Der inneren Sicherheit des ÖRR hilft das allerdings auch nicht weiter. Denn Hahn kann für die CSU nur schulterzuckend feststellen, dass „die Kündigung des Medienstaatsvertrags […] als solche nicht zu verhindern“ und die „landesgesetzlichen Hürden hierfür relativ gering“ sind.
Was vielleicht die Verfassung erklärt, in der einige Sender aktuell sind. Doch endlich kommt Gegenwehr. Für ARD Kultur tingelt dieser Tage Schorsch Kamerun durch Weimar. Das liegt nahe, weil ARD Kultur ja in Weimar sitzt und da gerade Kunstfest ist. Er macht dort seit Dienstag „Wahl Watching“, ein gesungenes Tagebuch. „Mit seinen Songs möchte er einen künstlerischen Spiegel zur ‚Zeitenwende‘ bieten und dabei auch Widersprüche, wie die Problematik der „eigenen Blase“, reflektieren“, heißt es im ARD-Pressetext
Spätestens bei dem mit der „eigenen Blase“ haben sie in der Pressestelle wahrscheinlich in die eigene Tastatur gekotzt. Auch das bisherige Ergebnis atmet einen Hauch von: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ „Warum gibt es bloß keinen Christoph Schlingensief mehr?“
Aber schon allein der Versuch zählt. Dass wir angesichts der Forderungen nach mehr Ordnung und Normativität unbedingt „unkontrollierte Ausprobierräume“ brauchen, wie Kamerun das nennt, geht klar. Und vor dem Weimarer Nationaltheater ist an diesem Tag auch echt viel Platz. Nur am Goethe-Schiller-Denkmal tummeln sich ein paar touristische Renter*innen.
„Träumer und Hafermilchaufschäumer“
In Song No 1 ging es um die „Bubble“, an Tag 2 ist dann Enttäuschung dran. Über den angepassten Stefan, der in Neukölln Lastenrad fährt und GEZ freiwillig zahlt. Der sei „Träumer und Hafermilchaufschäumer“ sprechgesangt Kamerun, dass Lou van Bourg vor Neid … Aber wer kennt den schon noch?
Dann lieber Sahra Wagenknecht. Die hat in ihrem Wahlprogramm zum ÖRR fast genauso wenig stehen wie die AfD. Aber sie will ihn nicht gleich ganz plattmachen. Doch BSW-Plakate wie „Maulkorb oder Meinung“ zeigen, wo deren Hammer hängt. Aber vielleicht passt Kamerun ja den legendären „Goldene Zitronen“-Hit „Am Tag, als Thomas Anders starb“ noch mal an. Das wär ein schöner Tag! „Ich hol schon mal die Kotztüte“, sagt die Mitbewohnerin.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm