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Ode an den StauSüße Stunden des Stillstands

Schlechte Laune, Hunger, Ehekrise: Stau stresst die meisten Autofahrer. Das muss nicht sein. Denn Stau kann eine wahre Freude sein.

Im Stillstand vereint: Menschen verlassen während eines Staus ihre Fahrzeuge. Foto: dpa

Ein „Stauchaos“ droht am Wochenende, warnen die Automobilclubs. Weil jetzt fast überall Schulferien sind, die einen aus dem Süden zurückkehren, die anderen in den Norden reisen und wieder andere gen Süden starten. Kleiner Tipp für den Verkehrsfunk: Die Autobahnen aufzuzählen, auf denen es sich am Wochenende nicht staut, würde schneller gehen als umgekehrt.

Und deshalb rüsten sich die Urlaubshungrigen aus mit Thermoskannen voller Minztee, Butter­broten und Bananen, steigen zu Nachtzeiten in ihre ­Autos, in der Hoffnung, dem Stau zuvorzukommen – und treffen sich acht Stunden später vor einem Tunnel in Österreich im Stau. Haben schlechte Laune, Hunger, Ehekrise und kommen gestresst am Urlaubsort an.

Dabei Stau kann so schön sein! Nicht dieses Stop-and-go, nein, so ein ordentlicher Stau mit zwei Stunden Stillstand. Anfangs bleibt man sitzen, genervt, wartend, hoffend, es könnte ja weitergehen, jederzeit, gleich. Dann gibt man auf, lässt los, Motor aus, Tür auf, in den Rahmen stellen, Hals recken, die Autoschlange überblicken: Stillstand. Kilometerweiter Stillstand.

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Also raus auf die Autobahn. Ein erhabenes Gefühl, hier auf der linken Spur, wo gerade noch der Sportwagen mit 230 überholte. Läuft ums Auto, lässt die Kinder raus, ein bisschen rennen, Ball spielen. Ein kurzer Plausch mit dem Audifahrer aus Duisburg, die Kinder haben auch schon Freunde gefunden. Die sind im Nachbarbadeort, vielleicht trifft man sich mal auf dem Markt? Immer mehr kommen auf die Fahrbahn. Im Stillstand vereint.

Einige Sprachen helfen dabei, den Stau positiv zu besetzen. Ihn sprachlich zu versüßen wie im Englischen mit „traffic jam“. Oder ihn mit alkoholischen Freuden zu verbinden wie im Polnischen mit „korek“, also „Korken“, ebenso wie im Französischen mit „bouchon“. Passend auch das Italienische „imbottigliato“, das „im Stau stehen“, aber auch „abgefüllt“ heißt. Vor der nächsten Urlaubsreise also Marmeladenbrot und Sekt einpacken, statt Butterbrot und Minztee. Und alles wird gut.

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2 Kommentare

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  • Jo, oder mal als Autofahrer über die Klimakrise und Verkehrsinfarkt mit dem Staunachbarn diskutieren, woran man selber selbstverständlich nicht schuld ist.

  • Das schlimme daran:



    Stau ist gesellschaftlich akzeptiert als allgemeine Rechtfertigung für das Zu-Spät-Kommen auf der Arbeit.



    Jammert der Kollege über den Stau in dem er so lange stand, klopfen ihm alle auf die Schulter und bedauern ihn.

    Kommt der Kollege mit dem ÖPNV, heißt es lapidar "... musste einfach mal einen Zug/Bus/Tram früher nehmen..".