piwik no script img

Occupy-Camp in Berlin geräumtEnde Gelände

Die Polizei räumt das Occupy-Camp am Berliner Spreeufer. Die letzten Aktivisten leisten keinen Widerstand - und hoffen auf eine Großdemo am Sonntag.

Das Camp am Bundespressestrand ist Geschichte: Occupist Daniel räumt das Feld. Bild: dpa

BERLIN taz | Zuvorkommender dürfte die Polizei selten zu einer Räumung empfangen worden sein. Als die 100 Beamten am Montagnachmittag mit ihren Einsatzwagen vor das Occupy-Camp auf dem Ex-Bundespressestrand vorfahren, leisten die Aktivisten keinen Widerstand. Bereitwillig rollen sie Schlafsäcke zusammen und packen Rucksäcke, nach und nach verlassen sie das Zeltlager.

"Auch Sie gehören zu den 99 Prozent", sagt Robert Hubner, 66-jähriger Aktivist und Rentner, zu einem Uniformierten. Der nickt stumm. 99 Prozent, für die Okkupisten ist das die Mehrheit der Gesellschaft, die von einem Prozent der Mächtigen bestimmt wird. Seit dem 9. November, dem ersten Tag der Besetzung, sei er im Camp, berichtet Hubner, "als Gast."

Erst am Samstag habe er einen Holzverschlag gebaut. Der ist nun von Polizisten umzingelt. "Das heute ist eine Zwischenetappe, eine unerfreuliche, aber das wird uns nicht stoppen." Hubner schaut verschwörerisch: Natürlich habe man über einen Plan B diskutiert. "Es wird wieder ein Camp geben."

Am Freitag hatte die Bundesimmobilienanstalt (Bima) als Eigentümerin des Geländes Strafanzeige gegen die Besetzer gestellt und eine Räumung beantragt. Um kurz nach 14 Uhr am Montag leistet die Polizei dem Folge. 15 Bewohner sind im Camp - und zeigen sich überrascht.

Sie hatten erwartet, dass man ihnen noch ein Rechtsverfahren zugesteht. Thomas Neuendorf, Polizeisprecher vor Ort, verweist aber auf Hausfriedensbruch. "Wir leisten nur dem Räumungsbegehren Folge." Drei Stunden geben die Beamten den Aktivisten, um ihre Habseligkeiten fortzuschaffen. "Danach müssten wir die Personen wegtragen", so Neuendorf. Sie müssen nicht.

Jedes Zelt dokumentiert

Mit Klemmbrettern und Fotos dokumentieren die Beamten jedes Zelt. Die Aktivisten räumen letzte Lebensmittel in eine Kiste, tragen einen Herd, Protestschilder, einen Laptop aus dem Lager. Um 14.45 Uhr fällen sie auch den Mast mit der roten Sowjet-Fahne. Wortlos verlassen sie das Camp. Rund 20 Unterstützer klopfen ihnen draußen auf die Schultern, auch sie sprachlos. Nur einer singt. "Let the sunshine in."

Auch zwei herbeigerufene Anwälte zeigen sich ratlos. "Die Bewohner haben sich auf eine freiwillige Räumung eingelassen", sagt einer. "Da kann man nicht viel machen." Polizeisprecher Neuendorf findet Muße für eine Zigarette. "Alles friedlich, alles unproblematisch."

Sandra, Campbewohnerin von Anfang an, ist aufgelöst. "Keine Ahnung, wo ich hin soll." Die 37-Jährige schleppt Tasche, Campingkocher und Gitarre. Sie habe hier auch gegen das Jugendamt protestiert, das ihr die drei Kinder weggenommen habe. Der 50-jährige Thomas bleibt gelassen. Rauchend steht er zwischen Polizisten, neben ihm der Camphund, ein Bullterrier. "Das wars noch lange nicht", sagt er.

Um 17 Uhr ist die Räumung beendet, die Polizei schließt den Zaun. Hinter der Absperrung ist die Überrumpelung jetzt Aufbruchsstimmung gewichen. In einer Spontan-Asamblea beschließen die Besetzer, sich am Abend am Alexanderplatz zu treffen. Ende November hatten einige von ihnen dort bereits kurzzeitig das leerstehende Haus der Statistik besetzt. Ein Aktivist bezweifelt eine schnelle Neubesetzung. Aber am Sonntag sei ja Occupy-Großdemo. "Sehen wir mal, was kommt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • A
    Alfred

    Schöne Sichtweise auf die Räumung:

    http://vimeo.com/34818184

  • LF
    Lambros Fountas

    In anbetracht der Tatsache, daß zuerst (Anfang '80) Besetzte Häuser zum Cocktail Sand in ihre Kneipen schütteten und Liege und Schirme dazu packten, ist es zu begrüssen, daß endlich ein städtischer Pseudostrand verschwindet. Deshalb direkt zum nächsten dekadenten Poser-Ort und besetzen.

    Auch nicht schlecht, wäre das Pergamonmuseum. Dort könnte man dann aus Solidarität die griechische Staatsbürgerschaft beantragen und die Antikensammlung beschlagnahmen.

    Doppelte Staatsbürgerschaft als solidarische, antirassistische Aktion - Dazu die Deklaration von Nantes vom 11.11.2011:

    http://hellasfrappe.blogspot.com/2012/01/i-too-am-greek-french-in-solidarity.html

  • E
    emil

    und irgenwie stimmts ja doch, uniformiert gleich uninformiert.