: Obskure Blüten
■ Enquetekommission: Aktenstreit auch durch Kompromiß nicht beigelegt
Der Streit um Akteneinsicht zwischen Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und der Enquetekommission Jugendkriminalität treibt obskure Blüten. Professor Peter Kastner von der Uni Hamburg und Dorothee Stapelfeldt, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, stellten gestern nachmittag auf einer allzu eilig einberufenen Pressekonferenz einen Kompromiß vor, der an kreativer Fragwürdigkeit nichts zu wünschen übrig läßt.
Danach soll ein „unabhängiges Institut die Daten aus den Akten erheben“, die Kastner „für unverzichtbar“ hält, um den Kommissionsauftrag erfüllen zu können. Die von der Bürgerschaft eingesetzte Kommission aus Fachleuten und Parlamentariern soll Empfehlungen für den Umgang mit jugendlichen Straftätern erarbeiten. Anfang Februar „ersuchte“ sie deshalb den Senat, Einsicht in die Akten jugendlicher Intensivtäter nehmen zu dürfen. Runde hatte vorige Woche mitgeteilt, er könne diesem Ersuchen „aus verfassungsrechtlichen Bedenken“ nicht entsprechen.
Warum der Bürgermeister gegenüber einem externen Institut keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt, vermochten Stapelfeldt und Kastner nicht zu erhellen. Runde habe diesem „Umweg“, wie Kastner ihn nennt, zugestimmt. Der Umweg kostet allerdings nicht nur Zeit, sondern auch Geld, schätzungsweise 60.000 Mark. Und: Er ist vermutlich eine Sackgasse.
Denn kurz vor der Pressekonferenz zog die CDU ihr Einverständnis zurück. Sie will lieber in der Bürgerschaft die Herausgabe der Akten erzwingen. Der Nachteil wäre, daß die Einsichtnahme dann nur Parlamentariern erlaubt wäre. Professor Kastner etwa dürfte nie einen Blick hinein werfen. smv
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen