Oberleitungen für Autobahnen: Nicht so abwegig, wie es klingt
Ungewöhnlicher Vorschlag des Umweltrats: Lastwagen fahren mit Ökostrom – wie Trolleybusse. Das könnte die Lösung für den umweltschädlichen Güterverkehr sein.
BERLIN taz | Liebhaber des Busfahrens kennen ihn: den Trolleybus. Verbunden mit einer Oberleitung, ruckelt er als Mischung zwischen Bus und Straßenbahn durch viele Städte, vor allem in Osteuropa, aber auch in der Schweiz, in Frankreich, in Solingen und in Eberswalde.
Nun hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein Beratungsgremium der Bundesregierung, sich diese Technik vorgenommen – und schlägt sie als Lösung für eines der großen Probleme im Umweltschutz vor: den Güterverkehr. Denn in Deutschland entstehen durch den Transport von Waren große Mengen schädlicher Klimagase: jährlich allein 67 Millionen Tonnen Kohlendioxid, Tendenz steigend. Das ist ein „substanzieller Anteil“ an den CO2-Emissionen in Deutschland.
Immer mehr Fracht wird kreuz und quer über den Globus befördert. Experten schätzen, dass sich der Güterverkehr in der Bundesrepublik in den nächsten 40 Jahren verdoppeln könnte. Am Montag präsentierte der Umweltrat in Berlin seinen Lösungsvorschlag: Oberleitungen für Autobahnen.
Die sieben Mitglieder des „Sachverständigenrats für Umweltfragen“ – allesamt ProfessorInnen – beraten die Regierung. Sie werden für vier Jahre berufen.
Ihre Aufgabe: Sie erstellen Gutachten über die ökologische Lage in Deutschland, schlagen Alarm bei Problemen und entwickeln umweltschonende Lösungen. Zu ihren am Montag vorgestellten Empfehlungen gehört die Pfandpflicht auf Handys und andere Elektrogeräte, um eine Wiederverwendung von Metallen zu fördern. Gezielte Steuererhöhungen sollen überdies den Fleischkonsum in Deutschland senken. Grund: Viehzucht zählt zu den weltweit größten CO2-Produzenten.
Zunächst 5.000 Kilometer Autobahnen, von der A 1 bis zur A 9, könnten mit Stromleitungen versorgt werden, sagt Olav Hohmeyer, Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft an der Universität Flensburg und Mitglied des Sachverständigenrats. Die Idee sei nicht so abwegig, wie sie klinge, erläutert er: Nur 17 Prozent der Güter reisen derzeit per Bahn, 10 Prozent auf Wasserwegen. Der überwältigende Anteil von 70 Prozent des Verkehrs auf der Straße wird betrieben mit stinkendem und zunehmend knappem Dieselkraftstoff. Frühere Pläne, Erdöl durch Pflanzenkraftstoff zu ersetzen, erwiesen sich als nicht durchsetzbar. Grund: Zu viel landwirtschaftliche Fläche würde verbraucht, um die dafür nötigen Energiepflanzen anzubauen. Außerdem funktioniert der Ackerbau in intensiver Landwirtschaft bislang auch nur mit Hilfe von Düngemitteln und Kraftstoffen auf Erdölbasis. Gleichzeitig sind Lkws für Elektroantriebe zu schwer.
Auch die Forderung „mehr Güterverkehr auf die Schiene“ greife zu kurz: „Selbst Experten mit optimistischen Prognosen schätzen, dass sich nur die Hälfte des Lkw-Verkehrs auf die Schiene verlagern lässt“, sagt Hohmeyer. Fazit: „Wenn der Verkehr nicht zum Strom kommen kann“, so der Umweltwissenschaftler, „dann muss der Strom zum Verkehr kommen.“ Die Kosten schätzt er auf etwa 1,5 Millionen Euro pro Kilometer. Bei 5.000 Kilometern Oberleitungen würde das 7,5 Milliarden Euro kosten.
Im Bundesverband Güterkraftverkehr gibt man sich mäßig interessiert: „Man muss alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, um vom Öl wegzukommen“, sagt Adolf Zobel vom Verband. Fraglich sei, ob die Trolley-Lkw-Variante finanzierbar ist. Nach Schätzungen des Umweltrats dürften sich Investitionen in eBrummis für die Spediteure innerhalb von zwei Jahren rechnen. Voraussetzung: Strom aus erneuerbaren Energien wird steuerlich gegenüber Dieselkraftstoff bevorzugt.
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