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Oberbürgermeisterwahl in KielStadtbahn steht wieder auf der Kippe

Kiel bekommt eine Stadtbahn, das schien eigentlich klar. Doch vor der anstehenden Wahl macht die CDU die Debatte wieder auf.

Das will er nicht zurück: Gerrit Derkowski, Oberbürgermeisterkandidat für Kiel, spricht sich gegen eine Stadtbahn aus Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Bei der anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Kiel geht es auch um die Frage, wie die Landeshauptstadt ihre Verkehrsprobleme bewältigt. Eigentlich hatte eine klare Mehrheit der im Rat vertretenen Parteien den Bau einer Stadtbahn beschlossen. Aber die CDU zweifelt an der Finanzierbarkeit. Der von ihr unterstützte Oberbürgermeisterkandidat stellt ein eigenes Verkehrskonzept vor.

Früher hieß es in Kiel, dass die SPD einen roten Eimer aufstellen könne, und selbst der wäre gewählt worden. Inzwischen hat die Partei in ihrer früheren Herzkammer schwere Niederlagen bei Bundes- und Landtagswahlen einstecken müssen. Der aktuelle SPD-Oberbürgermeister Ulf Kämpfer tritt nach zwei Amtszeiten nicht mehr an, er strebt stattdessen die Spitzenkandidatur für den Landtagswahlkampf 2027 an.

Entsprechend spannend wird die Wahl am 16. November, bei der insgesamt neun Kan­di­da­t:in­nen antreten. Ein inhaltlicher Streitpunkt ist die künftige Verkehrspolitik und die Frage: Stadtbahn oder S-Bahn?

Für Gerrit Derkowski ist die Antwort klar: Anstelle der Tram, für die die Stadt auf den Straßen neue Schienen verlegen – und bezahlen – müsste, will der parteilose Kandidat, der von CDU und FDP unterstützt wird, auf die Bahn vertrauen. Denn in deren Nahverkehrsplan ist vorgesehen, künftig neben den Regionalzügen auch S-Bahnen einzusetzen, die im engen Takt und mit mehr Halten aus der Landeshauptstadt in die Städte im Umland fahren. Zwischen den S-Bahn-Stationen können weitere Busse eingesetzt werden, schlägt Derkowski vor.

Der gebürtige Flensburger ist Journalist, er hat als freier Mitarbeiter für den NDR gearbeitet und war als Moderator beim „Schleswig-Holstein Magazin“ und bei der „Tagesschau“ tätig. In seinem Wahlprogramm setzt er auf Wirtschaftsförderung und Haushaltspolitik sowie eine „moderne Mobilität“ ohne Stadtbahn. Sein Konzept wäre weit schneller umzusetzen und vor allem kostengünstiger als die Stadtbahn. Daher fordert er einen sofortigen Stopp der weiteren Planungen für das Projekt: „Wir brauchen keinen Rückschritt mit Konzepten aus den 80ern“ – damals rollte die letzte Kieler Tram ins Depot, die Schienen wurden abgebaut.

Bei der CDU kommt das an. Die aktuelle Verkehrspolitik, die auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs setzt, „vermittelt vielen Autofahrern das Gefühl, aus der Stadt gedrängt zu werden“, sagt der Vorsitzende des CDU-Kreisverbands, Tobias von der Heide. Außer der CDU ist auch die AfD gegen eine Stadtbahn.

Wir brauchen keinen Rückschritt mit Konzepten aus den 80ern

Gerrit Derkowski, parteiloser Kandidat, der von CDU und FDP unterstützt wird

Kritik an Derkowskis Konzept kommt vom Verein „Tram für Kiel“. Die Ablehnung der Stadtbahn gründe sich auf Allgemeinplätze, zudem kenne der Kandidat offenbar aktuelle Beschlüsse und Planungen zur Stadtbahn nicht oder habe sie zumindest nicht verstanden, heißt in der Analyse der Wahlprogramme. Der Verein hatte dafür sechs Kan­di­da­t:in­nen befragt.

SPD-Mann für die Stadtbahn

Ein klarer Befürworter der Stadtbahn ist SPD-Mann Ulf Daude: Die Tram verbinde Stadtteile, entlaste den Verkehr und sei ein entscheidender Schritt hin zu einer klimafreundlichen wie effizienten Mobilität. Ähnlich sieht es der Grüne Samet Yilmaz: „Die Stadtbahn steht für eine Politik, die nach vorn blickt.“ Derkowskis Konzept könne dagegen die Verkehrs-Engpässe der wachsenden Stadt nicht lösen, sagte er der taz: „Die S-Bahn wird die Tram nicht ersetzen, sie soll sie ergänzen.“

Das hatten auch die Verkehrsgutachten ergeben, auf deren Grundlage die Entscheidung des Stadtrats pro Stadtbahn fiel. Denn S-Bahn und Stadtbahn hätten unterschiedliche Funktionen, heißt es dort: „Während die Stadtbahn zu einer Verbesserung des ÖPNV-Angebotes in der Innenstadt beiträgt, richtet sich das S-Bahn-Angebot an die Umlandgemeinden, um vor allem für Pend­le­r*in­nen eine Alternative zum Auto zu schaffen.“

Die Stadtbahn steht für eine Politik, die nach vorn blickt

Samet Yilmaz, Grüne, Pberbprgermeisterkandidat

Auch mehr Busse fahren zu lassen, wie Derkowski vorschlägt, ist nach den Ergebnissen des Verkehrsgutachtens nicht so einfach, „weil die Kapazitäten weitgehend ausgeschöpft sind. Schon jetzt stehen zu Stoßzeiten an einigen Haltestellen mehrere Busse der gleichen Linie hintereinander und trotzdem finden nicht alle Fahrgäste Platz.“

Es müsse also nicht Tram oder S-Bahn, sondern Tram und S-Bahn heißen, findet Stefan Barkleit, Vorsitzender des Fahrgast-Verbands Pro Bahn: „Insbesondere die Pläne für eine Umsteigestation am Steenbeker Weg begrüßen wir ausdrücklich.“ Mit der geplanten Verknüpfung von Stadtbahn und Regio-S-Bahn hätten Regionalbahn-Betreiber Nah.SH und die Stadt Kiel bereits „gut vorgelegt“.

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