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Obdachlosigkeit im WinterMehr warme Plätze auch tagsüber

Gastkommentar von Klaus Wicher

Es reicht nicht, die Einrichtungen des Winternotprogramms nur nachts zu öffnen. Auch tagsüber brauchen Obdachlose Hilfe und Unterstützung.

Um 9.30 Uhr müssen alle draußen sein: Unterkunft für Obdachlose in Hamburg-Moorfleet Foto: dpa | Daniel Bockwoldt

D ie Temperaturen sinken, es weht ein eisiger Wind durch Hamburgs Straßen. Glücklich, wer ein festes Dach über dem Kopf hat. In der reichen Hansestadt gibt es immer mehr, die dieses Glück offensichtlich nicht haben. Die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen und deshalb nur als wohnungslos gelten.

Ich spreche von den Menschen, die nichts mehr haben, die obdachlos sind und auf der Straße leben. Vermutlich sind deutlich mehr als die offiziell gezählten 2.000 Obdachlosen in der Stadt unterwegs. Realistisch gesehen könnten es doppelt so viele sein, ich rechne mit derzeit rund 4.000 Obdachlosen. Ihre Befindlichkeiten, ihre Bedarfe werden immer unterschiedlicher: Ich sehe immer mehr junge Obdachlose und schwer vom Crack gezeichnete Jungerwachsene.

Auch osteuropäische EU-Bürger nehmen lieber hier bei uns das Leben auf der Straße auf sich, als ohne jede Perspektive weiter in ihrer Heimat zu bleiben. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung, die auf ihre Problemlage abgestimmt sind – das können nur gut ausgebildete Straßensozialarbeiter:innen.

All diese Menschen mit sehr unterschiedlichen Problematiken werden in den kommenden Monaten verzweifelt nach Plätzen im Warmen suchen. Nachts stehen in den verschiedenen Anlaufstellen für Obdachlose in der Stadt 800 Betten im Normalbetrieb zur Verfügung, hinzu kommen nochmal 400 Übernachtungsplätze in der Wärmestube, dem Pik As und dem Frauenzimmer. Das ist schon eine ganze Menge, die Sozialbehörde hat da schon nachgelegt. Aber: Parallel dazu sind mehr Menschen obdachlos geworden, insofern gibt es immer noch zu wenig Übernachtungsplätze im Winternotprogramm.

In der Hamburger Innenstadt herrscht großer Leerstand. Es müsste möglich sein, für einen gewissen Zeitraum Räume für Obdachlose zu finden
Bild: SoVD
Klaus Wicher

76, ist Hamburger Vorsitzender des Sozialverbands SoVD. Der SoVD setzt sich politisch für Menschen ein, die von Armut betroffen oder gefährdet sind. Wicher ist Mitglied des Bundesvorstands, in Hamburg engagiert er sich als Mitglied des Verwaltungsausschusses.

Es ist gut, wenn Menschen nicht bei Eis und Schnee auf der Straße schlafen müssen. Der richtige Stress beginnt für sie am Morgen, denn tagsüber sind die Unterbringungsheime geschlossen. Das heißt dann also: raus auf die Straße. Alle suchen ein warmes Plätzchen, vor allem rund um den Hauptbahnhof. Meist können sie sich nur kurz aufwärmen, kein Geschäftsinhaber in der Hamburger Innenstadt möchte tagsüber diese Menschen vor der Tür stehen sehen. Deshalb ist es für mich glasklar: Das Winternotprogramm muss tagsüber geöffnet bleiben! Und wir brauchen mehr Tagesaufenthaltsplätze!

An dieser Stelle ist das Angebot der Stadt allerdings nicht besonders üppig. Rund 500 Tagesaufenthaltsplätze gibt es derzeit, allerdings liegen nicht alle in der Innenstadt, sondern auch in Harburg, Billstedt oder Eimsbüttel. Der allergrößte Teil der Obdachlosen hält sich aber rund um den Hamburger Hauptbahnhof auf. Er ist ihr Lebensmittelpunkt.

Dementsprechend muss es zwingend vor Ort mehr Tagesangebote geben. Aus meiner Perspektive war zum Beispiel die Idee, die Konzertlocation „Markthalle“ zum Tagesaufenthalt umzufunktionieren, in den vergangenen beiden Jahren richtig hilfreich und ein wirklich sinnvolles Angebot für die Betroffenen. Jetzt nach dem Ende von Corona wollen die Veranstalter natürlich wieder die Räume für Konzerte nutzen, leider ist das Projekt ausgelaufen.

Aber auch in der Hamburger Innenstadt herrscht aktuell großer Leerstand. Das wird sich aller Voraussicht auch nicht so schnell ändern. Es müsste also möglich sein, für einen gewissen Zeitraum über den Winter, Räume zu finden, die als Tagesaufenthalte geeignet sind für Obdachlose.

Sie brauchen mehr Möglichkeiten, sich tagsüber stressfrei aufzuhalten, aufzuwärmen und möglicherweise sogar ärztlich versorgen zulassen. Auch diese Menschen haben bei all ihrem Elend das Recht auf ein wenig Würde und Menschlichkeit. Wir dürfen diese Menschen nicht allein lassen. Sie brauchen mehr warme Plätze tagsüber, und mehr Sozialarbeiter und Streetworker, die gut ausgebildet sind.

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