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Obamas Rede zur Lage der Nation"Ich gebe nicht auf!"

Bei seiner "State of the Union"-Rede kehrt der US-Präsident den alten Mief aus dem Ritual. Obama kritisiert Lobbyisten, verspricht Jobs – und räumt Fehler ein.

Auf Englisch: "I don't quit". Bild: dpa

WASHINGTON taz | Das Ritual ist unverändert: Beim "State of the Union" zieht der Präsident der USA die Bilanz des vergangenen Jahres und weist den Weg in das kommende. Beide Kammern des Parlamentes, sowie VertreterInnen von Oberstem Gericht, Militär und anderen Institutionen erheben sich dutzende Male zum Applaus. Das Fernsehen überträgt die Rede bis in den hintersten Winkel des Landes. Dann antwortet jemand aus der Opposition. Dieses Mal ein republikanischer Provinzpolitiker, der kürzlich den Gouverneurssitz im Bundesstaat Virginia erobert hat.

Barack Obama benutzt in diesem lang einstudierten, miefigen Ritual einen neuen Ton. Bei seinem ersten Zustandsbericht an die Union tritt er mit jenem Schwung auf, der seinen Wahlkampf geprägt hat. Er gibt sich prinzipienstark. Dazu eloquent, pädagogisch, humorvoll und kämpferisch.

Er kritisiert den Obstruktionismus der republikanischen Opposition, sowie die Beeinflussung der Washingtoner Politik durch LobbyistInnen. Und versucht zugleich, seine Politik neu zu zentrieren. Im Mittelpunkt steht jetzt nicht mehr das Stichwort "change" – Wandel – das seinen Wahlkampf geprägt hat. Sondern eine Klientel, die in diesem Jahr, in dem im November Halbzeitwahlen anstehen, von allen PolitikerInnen umworben ist: die Mittelschicht. Ihr stellt Obama Subventionen und Steuernachlässe in Aussicht, ihr winkt er mit neuen Arbeitsplätzen in der Umweltindustrie und im Gesundheitssektor. Und sie versucht er damit zu gewinnen, dass er die Staatsausgaben ab dem Jahr 2011 einfriert. Als Replik auf eines der häufigsten Argumente seiner republikanischen GegenspielerInnen, versichert er auch, daß er gar nicht an eine Steuererhöhung denkt.

In den Tagen vor dem "State of the Union" ist dem US-Präsidenten scharfer Gegenwind ins Gesicht gepeitscht. Seine Partei hat bei Nachwahlen im Bundesstaat Massachusetts einen scheinbar sicheren Sitz im Senat verloren. Die DemokratInnen haben nicht mehr die nötige Mehrheit für die Reform der Krankenversicherung. Und das Oberste Gericht hat die Obergrenzen und Kontrollen für Wahlkampffinanzierungen aufgehoben und damit jedweder Einflußnahme von LobbyistInnen auf die Politik in Washington Tür und Tor geöffnet.

Doch Obama sagt, daß er an seinen Reformvorhaben festhält. An der Gesundheitsreform, weil sie für Millionen Landsleute nötig und weil die USA bei den vielen vorausgegangenen Versuchen, "nie so nah daran" gewesen sei. An der aktiven Umweltpolitik – wozu für ihn neben dem Ausbau von erneuerbaren Energieen auch die Erneuerung des Parks von Atomkraftwerken gehört. Und an der Zulassung von Homosexuellen zur Armee, die er noch in diesem Jahr durchsetzen will. Am Ende versichert Obama: "I don't quit" – ich gebe nicht auf.

Obamas Rede ist zugleich eine Gelegenheit, die eigene Politik im ersten Amtsjahr zu rechtfertigen. Immer wieder nennt der Präsident jene, die im vergangenen Jahr ihre Arbeit, und oft sogar auch ihr Haus, verloren haben und zeigt Verständnis für ihre Ungeduld. Seit seinem Amtsantritt ist die Arbeitslosigkeit von sieben auf zehn Prozent gestiegen. "Es war eines der schwierigsten Jahre unserer Geschichte", sagt er. Zugleich wirbt er für sein eigenes Konjunkturpaket: "Ohne das, wären rund zwei Millionen weitere Amerikaner arbeitslos geworden."

Vor dem Kongress rechtfertigt er auch seine militärischen Entscheidungen: Den Rückzug der US-Armee aus dem Irak bis zum Ende seiner Amtszeit. Sowie die Entsendung von zusätzlichen 30.000 US-SoldatInnen nach Afghanistan. Dem Iran "verspricht" der US-Präsident, daß er künftig "wachsende Konsequenzen" riskiere. Und Nordkorea das Festhalten an den Sanktionen.

Von Außenpolitik spricht Obama nur im Zusammenhang mit Kriegen oder mit der Sicherheit der USA. Einzige Ausnahme: Haiti und das Engagement der USA nach der Erdbebenkatastrophe. Der Nahe Osten hingegen kommt in der mehr als einstündigen Rede kein einziges Mal vor. China, Deutschland und Indien erwähnt Obama lediglich als wirtschaftliche Konkurrenten – und punktuell Vorbilder – die um einen zweiten Platz kämpfen mögen. Wohingegen Obama für die USA als einzige Möglichkeit den ersten Platz sieht.

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5 Kommentare

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  • D
    Daemon

    Stimmt, viele Internationale Probleme wurden nicht genannt, aber nicht ganz ohne Grund war es eine State of the Unio Address und keine State of the World Address.

     

     

     

    @ j.Bovier

    Ich finde es etwas seltsam gerade Obama den Vorwurf zu machen er würde nicht auf die Opposition eingehen. Die Republikaner in Kongress und Senat stimmen fast ausnahmslos gegen alles - alles - was von Demokraten eingebracht wird, definieren sich mangels eigener ernsthafter Pläne Hauptsächlich durch ihren Ruf als "The Party of No". Ganz im Gegensatz zu Obama der insbesondere in der Debatte um die Gesundheitsreform schon viel zu viele Zugeständnisse an eine Opposition gemacht, die erst Dinge einfordert und dann trotzdem geschlossen dagegen stimmtund dazu noch Schauermärchen von angeblichen Death Panels in die Welt setzt anstatt verantwortungsvoll an der Verbesserung der Lebensumstände des eigenen Volkes zu arbeiten.

  • K
    Klaus

    Obama sagte in seiner Rede auch, dass er neue Atomkraftwerke in den USA bauen möchte.

  • S
    stabil

    "DemokratInnen"

    "LobbyistInnen"

     

    Was für eine schreckliche Seuche! Ich bitte darum, wieder vernünftig zu schreiben. Es ist doch wohl klar, dass nicht nur Männer Demokraten und Lobbyisten sind. Abgesehen davon, dass diese Schreibe schlichtweg falsch ist, sieht sie zudem noch scheiße aus. Das muss einfach mal festgestellt werden.

  • S
    S.Ceptic

    Dass kaum eine von Obamas hochtrabend rhetorischen Ausführungen den Tatsachen entspricht, sollte man zumindest erwähnen...um nur eines herauszugreifen: wohlfeile Verurteilung von Lobbyistentätigkeit (schlimmer noch, die dreiste Behauptung, man habe diese eingedämmt), obwohl doch diverse Lobbyisten in der Obama-Administration tätig sind. Obama ist all style, little or no substance. Das Vortragen (bzw. Ablesen) geschliffener Reden kann Staatskunst nur begrenzt vortäuschen. You can fool all of the people some of the time, and some of the people all of the time, but (hopefully) not all of the people all of the time.

    Auch ein billiger Effekt, Gouverneur McDonnell als Provinzpolitiker abzutun. Aus den Reihen dieser "Provinzpolitiker" wird der nächste Präsident der USA kommen.

  • JB
    Joachim Bovier

    Der Präsident hat sich für Konfrontation und gegen Konsens mit der Opposition entschieden. Seine Vorstellungen u.a. zur Gesundheitspolitik, Bankenkontrolle und Umwelthype zeugen von einer zutiefst staatsdirigistischen Politikkonzeption, die dem Grundverständnis des American Way der Freiheit widerspricht und mit der republikanischen Opposition zu Recht nicht zu machen ist.

     

    Seine öffentlich wiederholte Richterschelte gegenüber dem Obersten Bundesgericht offenbart ein fragwürdiges Verständnis der Gewaltenteilung und damit der Verfassung. Das gilt auch für seinen Umgang mit dem Capitol Hill: Dieser State of the Union-Bericht war in weiten Teilen eine Wahlkampfrede, weiter nichts.

     

    Es ist heuchlerisch die Zusammenarbeit der Parteien anzumahnen, dem Kongress aber seine Bedingungen diktieren zu wollen. Wer aber drei Jahre vor seinem nächsten Wahltermin so agiert, darf sich aber über die entsprechende Reaktion nicht wundern. Politisch steht Obama an der Wand, dass er den Weg zurück zur Mitte findet ist mehr als fraglich.