Obama verspricht Muslimen Neuanfang: "Friede sei mit euch!"
Konkrete Schritte für Frieden im Nahen Osten nannte US-Präsident Obama bei seiner Rede in Kairo nicht - und stieß mit versöhnlichen Worten dennoch auf Wohlwollen.
Es war ein Plädoyer für einen Neuanfang, eine Art verbales Händereichen an die Adresse der islamischen Welt. Mit einer einfachen Geste brachte US-Präsident Barack Obama bei seiner Grundsatzrede am Donnerstag die fast 3.000 geladenen Gäste in der Kairoer Universität bereits bei den ersten Takten auf seine Seite: "Ich bin stolz, den guten Willen meines amerikanischen Volkes mitzubringen", begann er und schickte seiner Rede den arabischen Gruß "Salam alaykum - Friede sei mit euch" voraus. Schon war ihm der erste Applaus sicher.
"Ich bin gekommen, um mich für einen Neuanfang zwischen der USA und der islamischen Welt einzusetzen, auf der Basis von gemeinsamem Respekt und Interessen und auf der Grundlage, dass Amerika und der Islam sich nicht gegenseitig ausschließen und nicht in Konkurrenz zueinander stehen müssen", erklärte er. Der Kreislauf des Misstrauens und der Zwietracht müssten ein Ende haben. Zugleich warnte Obama vor überhöhten Erwartungen. Eine einzige Rede könne nicht Jahre des Misstrauens auslöschen, all die komplexen Fragen könnten nicht von einem Tag auf den anderen beantwortet werden.
Sodann kam Obama auf seine eigene Vita zu sprechen, um seinen Willen zur Versöhnung zu unterstreichen: Seine Überzeugungen seien in seiner eigenen Erfahrung verwurzelt, führte er aus. "Ich bin Christ, aber mein Vater stammt aus einer kenianischen Familie, die aus Generationen von Muslimen bestand. Und als Junge verbrachte ich mehrere Jahre in Indonesien, wo ich während des Morgengrauens und der Dämmerung den islamischen Gebetsruf gehört habe."
Im zweiten Teil seiner über eine Stunde dauernden Rede, wurde Obama politischer und konkreter. Hier folgten auch jene Passagen, in denen sich sein Publikum deutlich reservierter gab als bei den Respektbekundungen für den Islam. Etwa als Obama die Existenz amerikanischer Truppen in Afghanistan verteidigte, die so lange notwendig sei, wie es dort derart viele gewalttätige Extremisten gebe.
Leichter fiel ihm, den bereits seit Langem angekündigten Abzug aus dem Irak erneut anzukündigen und dort gemachte Fehler zuzugeben, ohne seinen Vorgänger George W. Bush namentlich zu erwähnen. "Die Ereignisse im Irak haben Amerika daran erinnert, diplomatische Wege einzuschlagen und zur Problemlösung einen internationalen Konsens zu suchen, wo immer das möglich ist."
Im Nahostkonflikt forderte Obama von beiden Seiten grundsätzliche Anerkennung des Anderen. Die Notwendigkeit einer jüdischen Heimat sei eine Folge des Antisemitismus in Europa und des Holocaust, der nicht geleugnet werden könne. Zugleich könne das Leiden der Palästinenser auf der Suche nach ihrer Heimat und dem 60 Jahre währenden Schmerz der Vertreibung nicht geleugnet werden. Obama wiederholte seine Forderungen nach einer Zweistaatenlösung und dem Stopp der israelischen Siedlungsaktivitäten und rief die islamistische Hamas dazu auf, den Terrorismus zu beenden, die Existenzberechtigung Israels anzuerkennen und Verantwortung zu übernehmen. Wer aber einen detaillierten Plan erwartet hatte, wie Obama diese Forderungen durchzusetzen gedenkt, wurde enttäuscht.
Trotzdem waren die ersten palästinensischen Reaktionen positiv. Der Sprecher der Autonomiebehörde, Nabil Abu Rdeneh, sagte, die Rede stelle einen wichtigen Schritt für einen Neuanfang dar. Dies zeige, "dass es eine neue und andere amerikanische Haltung bezüglich der palästinensischen Frage" gebe.
Auch ein Abgeordneter der Hamas sah "viele positive Punkte". Es bestehe ein Unterschied zur Politik von Obamas Vorgänger Bush, sagte Mahmud Ramahi. Doch bleibe die Frage, ob das Ergebnis ein unabhängiger palästinensischer Staat sein werde.
Auch im Café Mondlicht im Süden Kairos gibt man sich im Großen und Ganzen zufrieden. Dutzende hatte sich dort bereits am Vormittag erwartungsvoll versammelt, um über ein paar Tassen Tee oder Mokka, im Dunst der Wasserpfeifen im Fernsehen zu verfolgen, was der hohe Gast aus Washington zu sagen hatte. Auf den Straßen ging ohnehin nichts mehr, da ein großer Teil der 18-Millionen-Einwohner-Stadt abgesperrt war. Nun wollte Ahmad Yussuf, ein Taxifahrer, wenigsten dem Grund für den Verkehrskollaps zuhören. Er ist begeistert: "Obama hat toll gesprochen und uns Hoffnung gegeben", sagt er. Er habe all diese Konflikte satt. Besonders habe ihm gefallen, dass Obama ganz anders als sein Vorgänger Bush Verständnis für den Islam gezeigt habe. "Jetzt hoffe ich", sagt er, "dass das auch konkrete Folgen für mein Leben haben wird."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos