Obama reformiert die USA: Bestürzende Nachrichten

Seit Obamas Amtsantritt erreichen uns täglich positive Meldungen. Wofür andere Regierungen Jahre brauchen, das schafft er innerhalb kürzester Zeit. Darf man die USA wieder lieben?

Das Ende der Ignoranz: Barack Obama bricht mit der verhassten Politik der Ära Bush. Bild: dpa

Unsere Kreise können es ja gar nicht sattbekommen: sein Gesicht, die Bilder von ihm und seiner Frau Michelle, diese Miene coolster Entschlossenheit und natürlich auch all die Entscheidungen, die er binnen weniger Tage schon traf. Es ist eben ein Genuss für alle liberalen, libertären und demokratisch linken Menschen - also für Frauen und Männer, wie wir es sind -, dem neuen US-Präsidenten zuzuschauen. Wofür andere Regierungen Monate oder Jahre brauchen, was sie andererseits nicht vermögen, nämlich dem konservativen, illiberalen Spuk ein Ende zu bereiten, das schaffen er und die Seinen an den entscheidenden Amtsstellen quasi im Stundentakt.

Beispiele in knapper Fülle: Guantánamo - per Signatur als falsch erklärt; per Dekret die Auslandsgefängnisse des Geheimdienstes CIA schließen lassen; das "Waterboarding", also die Folter im Namen des Krieges gegen den Terrorismus, verboten; die Kommunikationsverweigerung in puncto Iran aufgekündigt; den Beschluss der Regierung George W. Bushs, nur noch solche UN-Programme zu unterstützen, die sich strikt gegen Abtreibung aussprechen, storniert.

Gestern erfuhr man, dass der zentralistische Druck aus der Hauptstadt Washington auf US-Bundesstaaten wie Kalifornien, deren ökologische Mobilitätspolitik zu verhindern, aufhören soll. Mehr noch: Kalifornien und 13 weiteren US-Bundesstaaten ist es nun erlaubt, das Fahren mit Sprit saufenden Automobilen mithilfe von viel schärferen Abgasnormen stark zu verteuern.

All diese Nachrichten tun auch deshalb so wohl, weil man aus acht Jahren Bush & Co. das Gegenteil gewohnt war: Ignoranz, Missachtung und Lüge. Die Administration Obamas kann sich diesen Elan der liberalen Konterattacke leisten: Das Publikum hatte Bush so leid, wie ein demokratischer Anführer nur irgendwie verrufen sein kann.

Die Stärke des Präsidenten und seiner Taten rührt selbstverständlich auch aus dem Umstand, dass er einfach alles gut für den Regimewechsel organisieren ließ - und dass seine Wahl ausdrücklich ihm galt; Bill Clinton profitierte 1992 noch von der Zersplittertheit des konservativen Lagers. Obamas Dekrete vom, wörtlich, "Resolute Desk", vom Resolutheitspult im Weißen Haus, waren allerdings in Sachen Guantánomo wenig erstaunlich; das hätte selbst ein John McCain nicht anders gewollt. Niemand in der demokratisch-westlichen Welt wollte mehr mit dieser Antiterrorstrategie nach dem 11. September einverstanden sein. Folter, rechtsstaatlich unüberprüfbare Verhöre, außerstaatliche Gefängnisse: nur randständige Experten befürworten diese Erbschaften der Ära Bush noch als ernsthafte Beiträge zur Auseinandersetzung mit dem Terror.

Der umfassende Wandel, den die neuen Regenten repräsentieren, ist eher mit dem Dekret zu begreifen, das das Verfassungsgerichtsurteil in Sachen Abtreibung schützt. Bush (befördert schon durch Bill Clinton, als die Demokraten moralisch in die Defensive gerieten) beflügelte eine Hatz gegen alle Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollten; die Evangelikalkonservativen konnten ungehindert seit vielen Jahren gegen Sexualität außerhalb der Ehe agitieren - bis hin zur Austrocknung von Budgets, die Teenager darüber aufklären, dass Sexuelles Kenntnis verdient und dass Sex in der Pubertät, vor der Heirat nicht der erste Schritt ins Fegefeuer ist oder ein Straucheln direkt in die Gosse bedeutet.

Das sind, klare Sache, bestürzend gute Nachrichten aus den USA. Plötzlich kann man wieder sagen, dass man sommers in die USA fliegt, ohne bedauert zu werden oder ein schmallippiges Sätzlein wie "Solange Bush regiert, boykottiere ich dieses Land", zu hören zu bekommen. Nein, man darf wieder unhinterfragt fahren - offenbar in der Erwartung, dass man hernach berichtet, wie es denn in diesem (so geht die Fantasie inzwischen) Modernisierungslabor namens USA so zugehe.

Mäßige Würdigung

Schade nur, dass diese politische Operation an einem siechen Körper, den Bush und seine Kader hinterlassen haben, in Deutschland nur mäßig gewürdigt wird. Guantánamo etwa - das spiegelt sich jetzt lediglich in dem Zwist, den Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) miteinander haben.

Jahrelang hat man aus den USA nur das Schlechte erfahren, das Misslingende. Es wäre jetzt lohnend, zu erfahren, wie die USA offenkundig beginnen, sich im Sinne dieses Politikwechsels neu zu erfinden. Barack Obamas Signaturen - mit links, wie denn sonst? - sind da nur kritzelnde Chiffren. Der ideologische Hasszustand zwischen Konservativen und Liberalen taut auf - cool, das.

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