Obama beeindruckt Türkei: "Wir können uns ändern"
Der US-Präsident spielt in der Türkei die Rolle des Brückenbauers, zwischen verfeindeten Nachbarn, zwischen Religionen und Nationen. Und dabei wirkt er stets glaubwürdig.
ISTANBUL taz "Wir können uns ändern", titelte gestern das Istanbuler Massenblatt Hürriyet und verkündete damit die wichtigste Botschaft des Besuchs von US-Präsident Barack Obama in der Türkei. Am Tag nach Obamas Rede im türkischen Parlament herrscht in den Medien eine bemerkenswerte Nachdenklichkeit vor. Ernsthafte Debatten um die Zukunft der Kurden im Land und große Anerkennung für die Art und Weise, in der Obama die traumatische Armenienfrage angesprochen hatte. "Die Lösung muss aus diesem Parlament kommen", hatte der US-Präsident den Abgeordneten zugerufen, und die scheinen ernsthaft gewillt, sich dieser Aufgabe nun endlich zu stellen. Selbst einer der größten Hardliner der Opposition, Onur Öymen, zollte Obama Respekt dafür, wie er eine Lösung zwischen Armenien und der Türkei angemahnt hatte.
Selbst hinter den Kulissen war die Obama-Regierung eifrig bemüht, die Annäherung zwischen Armenien und der Türkei zu unterstützen. Armeniens Außenminister Edward Nalbandian, der als Teilnehmer an dem parallel zum Besuch Obamas in Istanbul stattfindenden Kongress der "Allianz der Zivilisationen" kommen sollte, stand offenbar kurz davor, seine Reise abzusagen. Und das, weil der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan der Forderung des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew zugestimmt hatte, dass einer Öffnung der türkisch-armenischen Grenze ein Rückzug armenischer Truppen von aserbaidschanischem Territorium vorausgehen müsse. US-Außenministerin Hillary Clinton konnte ihn zuletzt doch überzeugen zu kommen, und so fand am Montagabend am Rande des Kongresses noch ein informelles Treffen von Barack Obama mit Armeniens Außenminister Nalbandian und seinem türkischen Kollegen Ali Babacan statt. Dabei bekräftigte Obama, dass die USA alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um eine Aussöhnung zwischen Armenien und der Türkei zu unterstützen.
Obama, der sich zum Abschluss des Besuchs in der Türkei gestern gegenüber Studenten türkischer Universitäten selbst als "Brückenbauer" bezeichnete, hatte sich zuvor am Morgen schon erneut in dieser Rolle versucht. Er empfing in seinem Hotel Vertreter aller in der Türkei präsenten Religionsgemeinschaften. Vom Müftü von Istanbul über den Oberrabbiner bis zum stellvertretenden Patriarchen der armenischen Gemeinde und einem Abgesandten der Aramäer. Noch einmal extra Zeit nahm er sich für ein Gespräch mit dem Patriarchen der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomäus I., der als spirituelles Oberhaupt die gesamte Orthodoxie repräsentiert.
Nach dem Besuch der Hagia Sophia und der Blauen Moschee lief er im Gespräch mit den Studenten noch einmal zu großer Form auf. Ernsthaft um Antworten bemüht und ohne auf vorgestanzte Formeln zurückzugreifen, ging er auf Fragen nach dem Frieden im Nahen Osten, einem kurdischen Staat im Nordirak und dem weltweiten Klimaschutz ein. Auch hier forderte er die jungen Leute auf mitzumachen, denn "Wandel ist möglich".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass