OB-Dämmerung in Oldenburg: Die Wahl vor der Abwahl
Bei der Kommunalwahl geht es auch um die Zukunft von Oldenburgs Bürgermeister Schwandner: Verliert die CDU, droht ihm ein erneutes Abwahlverfahren.
OLDENBURG taz | Vielleicht ist es Zufall, vielleicht aber auch Ausdruck purer Verzweiflung vor der anstehenden Kommunalwahl: Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner wurde zuletzt tatsächlich häufiger auf Terminen gesichtet, die ihm eigentlich ein Gräuel seien müssten, dem weltläufigen Mann im Rathaus, der am liebsten von den ganz großen Visionen die Stadt redet. Jüngst war er zu Gast beim Fest zum 125. Gründungstag des Männerchors Osternburg-Drielake und sprach ein Grußwort. Wenige Tage zuvor eröffnete er einen Spielplatz.
Das ist erstaunlich, weil es sonst so gar nicht Schwandners Art ist, sich zum Fußvolk zu begeben und Hände zu schütteln.
Aber: Es geht um sein Amt, auch wenn er bei der Wahl am Sonntag gar nicht zur Wahl steht. Abgestimmt wird nur über den Stadtrat, Schwandner selbst ist noch bis 2014 im Amt. Eigentlich. Denn wenn sich die Mehrheitsverhältnisse für ihn ungünstig entwickeln, dann könnte ein erneuter Abwahlantrag folgen. Diesmal sogar ein erfolgreicher. Es wäre der dritte, nachdem in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode zwei Versuche gescheitert sind.
Vor allem die Grünen hatten sie initiiert, was viel mit ihrer gemeinsamen Geschichte mit Gerd Schwandner zu tun hat: Schwandner war der von der CDU aus dem Hut gezauberte Oberbürgermeister-Kandidat mit grüner Vergangenheit. Er versprach, ein Shoppingcenter in der Innenstadt noch zu verhindern. Die Grünen glaubten ihm und empfahlen, in der Stichwahl das Kreuzchen hinter seinem Namen zu machen. Schwandner gewann gegen den Amtsinhaber von der SPD. Kurz sah es nach einer fruchtbaren schwarz-grünen Koalition aus, die wenige Wochen später zerbrach - weil Schwandner das Einkaufscenter plötzlich doch unterstützte.
Seither wollen die Grünen ihn loswerden; ein erster Abwahlantrag scheiterte vor zwei Jahren, als die CDU noch stark genug war, das zu verhindern. Ende Mai nun war die CDU um drei Fraktionsmitglieder geschrumpft, die zur FDP und den Grünen gewechselt waren. Nur noch die Rumpf-CDU mit zehn Ratsleuten und die beiden Freien Wähler stimmten gegen den Abwahlantrag. Eine Stimme fehlte zur Dreiviertelmehrheit, die für den Erfolg eines Abwahlantrags notwendig ist. Schwandner durfte weitermachen.
Wie es weitergeht, wird davon abhängen, ob die CDU nicht doch noch dafür abgestraft wird, dass sie Schwandner einst anschleppte. Ihr Spitzenkandidat und Kreisvorsitzender Olaf Klaukien, einst Schwandners Büroleiter, findet ihn immer noch gut, kann aber nur behaupten, dass Schwandner erfolgreiche Politik mache. Beweise fehlen. Und so zerstritten, wie die Partei zuletzt war, dürfte sie kaum genug Stimmen bekommen, um erneut eine Abwahl zu verhindern.
Bleiben die Freien Wähler, die mit der Rekordzahl von 72 Ratskandidaten antreten und die Stadt mit Plakaten zugepflastert haben. Das Wahlsystem macht es möglich, dass die 72 genug Stimmen für die Partei zusammensammeln, um den Trupp der Schwandnertreuen im Rat trotz schwacher CDU stark genug zu machen.
Und dann? Bliebe alles beim Alten, Schwandner macht sein Ding, die meisten im Rat runzeln die Stirn über ihn und seine Attitüde, wenn er selbst zu Auswärtsterminen als einziger im Dienst-Audi anreist, da doch alle anderen gemeinsam im Bus fahren. Man bekämpft sich, oft geht es dabei bemerkenswert kleinkariert zu - und das Bewusstsein, gemeinsam etwas für die Stadt tun zu müssen, fehlt.
In Oldenburg sehnt man sich nach einer guten Zusammenarbeit von Rat und OB. Probleme gibt es genug: Der nicht vorhandene Lärmschutz an der Bahnlinie nach Wilhelmshaven, über die schon bald Güterzüge vom Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven donnern werden, der Wohnungsmangel, die Schuldenlast, die Zukunft brach liegender Bundeswehr-Hinterlassenschaften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren