: „Nur so kann ich die Emissionen reduzieren“
■ Franz-Josef Antwerpes, Regierungspräsident von Köln, über Braunkohle und Energiepolitik
taz: Herr Antwerpes, warum wollen Sie eigentlich unbedingt dieses große Loch in Ihrem Regierungsbezirk?
Antwerpes: Fragen Sie lieber, warum andere Garzweiler II nicht wollen. Wir haben derzeit drei große Tagebaue der RWE-Tochter Rheinbraun: Inden, Hambach und Garzweiler I. Wenn wir den Braunkohlestrom so erhalten wollen, brauchen wir Garzweiler II.
Die Wissenschaftler des Wuppertal Instituts sagen, der Stromverbrauch werde nicht so steigen, wie von RWE prognostiziert, Garzweiler II sei völlig überflüssig.
Dieses Spiel mit dem Wirtschaftswachstum, ob es künftig bei 1,8 statt 2,5 Prozent liegt, das ist doch unwissenschaftlich. Eigentlich sagen die Wuppertaler, man soll Gaskraftwerke bauen und notfalls auf Importstrom zurückgreifen. Französischen Atomstrom nach Deutschland, stellen Sie sich das mal vor. Die Braunkohle ist die einzige heimische Energiequelle, die konkurrenzfähig ist. Das müssen wir erhalten.
Warum nicht Windkraft, die deutsche Maschinenbauindustrie sagt, 10.000 Megawatt Windstrom wären möglich?
Schön, daß die das sagen. Aber auch wenn ich mir das wünschen würde, ich glaube nicht daran.
Die Energiesparmöglichkeiten sind auch längst noch nicht ausgeschöpft.
Nützt aber nichts. Auch wenn ich selbst zu Hause Energie spare. Ich sehe doch die Mehrheit, die immer noch in Energie badet. Die Leute denken weiterhin, daß der Strom aus der Steckdose kommt.
Und weil das die Mehrheit denkt, wollen Sie das große Loch buddeln lassen?
Nicht nur. Wenn wir Garzweiler II bekommen, bekommen wir von der RWE neue Kraftwerke. Das war die Bedingung, es war meine Idee. Was die Herrschaften aus Wuppertal nicht bedenken, wenn wir Garzweiler II nicht bekommen, kann RWE ihre alten Stinker weiterbetreiben, insgesamt 60 Jahre lang.
Eine neuer Tagebau, damit Sie neue Kraftwerke bekommen?
Nur so kann ich die Emissionen reduzieren. Die alten Kraftwerke, Jahrgang 1956, haben einen Wirkungsgrad von 32 Prozent, 68 Prozent gehen durch den Schornstein. Mit neuen Kraftwerken können wir fast 50 Prozent erreichen. Das heißt, wir können genausoviel Strom mit einem Drittel weniger Emissionen erzeugen. Letztlich müssen wir dann Garzweiler II auch gar nicht so schnell abbauen, wie das der Braunkohleplan noch vorsieht.
Die alten Kraftwerke könnte man auch so ersetzen. Die sind doch längst abgeschrieben. Es bräuchte nur politische Entscheidungen.
Abgeschrieben sind sie, die haben einen Restbuchwert von einer Mark. Aber das Bundesimmissionschutzgesetz läßt das Abschalten nicht zu. Schließlich hat RWE die Kraftwerke entschwefelt und entstickt. Nach Recht und Gesetz laufen die Stinkerchen bis 2020.
Trotzdem – einen riesigen Tagebau, damit Sie neue Kraftwerke bekommen, das ist doch absurd.
Ist es nicht. RWE fängt 1998 an, 1999 soll der erste 900-Megawatt- Block fertig sein mit einem Wirkungsgrad von schon 43 Prozent. Und dann kommt die ganz neue Technik erst: Naßbraunkohle wird künftig vor dem Verfeuern getrocknet. Das bringt den Wirkungsgrad auf 50 Prozent. Die Technik ist weltweit einmalig, die haben wir in Deutschland entwickelt, bei Steinmüller und bei ETV in Stuttgart.
Steinmüller aus Gummersbach, aus Ihrem Regierungsbezirk?
Ja, die machen das gemeinsam mit Babcock. Ich war kürzlich in Ungarn. Dort plagen sich die Verantwortlichen auch mit der Braunkohle, weil der Wirkungsgrad mit 35 Prozent zu gering ist. Das kann ein echter Exportschlager werden. Aber wir brauchen natürlich mehr als eine Blaupause, ein funktionierendes Kraftwerk muß schon her.
Und der Klimaschutz geht dabei über den Jordan ...
Nicht einmal das. Wenn die Kraftwerke 30 Prozent weniger Kohle brauchen für den gleichen Strom, kann man damit sogar das 25-Prozent-Klimaziel einhalten, das sich die Bundesregierung in einem Anfall von mittlerem Wahn hat einfallen lassen. Interview: Hermann-J. Tenhagen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen