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„Nur die Schlösser ausgetauscht“

Interessengemeinschaft Sozialrecht veröffentlicht online einen Ratgeber rund um Zwangsräumungen

Alexander Kretschmar

ist als freier Rechtsjournalist für verschiedene Verbände in Berlin tätig. Zudem ist er Mitglied der Interessengemeinschaft Sozialrecht.

Interview Peter Nowak

taz: Herr Kretschmar, wer verbirgt sich hinter der Interessengemeinschaft Sozialrecht?

Alexander Kretschmar: Sie besteht aus verschiedenen Expert*innen und Rechtsjournalist*innen, die umfassende und komplizierte Gesetzestexte in auch für Laien leicht verständlicher Sprache zusammenfassen und diese somit für alle zugänglich machen. Zudem werden wichtige juristische Fragen anhand von Fallbeispielen geklärt, um Situationen und Umstände verständlich darzustellen. Die Portale werden stetig aktualisiert und erneuert, sodass die Leser*innen immer auf dem neusten Stand bleiben.

Wie viele Menschen sind dort tätig und wie finanzieren Sie sich?

Wir haben acht feste Mitglieder und weitere freie Rechtsjournalist*innen, die für uns tätig sind, und finanzieren uns über Google-Werbeanzeigen, Kooperationen mit Rechtsanwälten und Bereitstellung von Gastartikeln.

Wie ist der Kontakt zu den Arbeitsagenturen und zur Schuldnerberatung?

Wir pflegen kaum direkten Kontakt, sondern verweisen nur Hilfesuchende an etwaige Stellen, da wir selbst keine Schuldnerberatung anbieten, sondern Informationen über die rechtliche Situation erarbeiten und veröffentlichen.

Sie haben kürzlich einen Ratgeber zu Zwangsräumungen online gestellt. Was steht dort drin und an wen richtet er sich?

Er beschäftigt sich in erster Linie mit dem Ablauf einer Zwangsräumung. Zudem wird darauf eingegangen, wie eine Zwangsräumung möglicherweise abgewendet werden kann. Der Ratgeber richtet sich an Betroffene oder Angehörige von Betroffenen, die sich über den Ablauf und ihre Möglichkeiten informieren möchten.

Warum haben Sie sich diesem speziellen Thema gewidmet?

Die Informationen zu diesem Thema im Internet sind bisher relativ gering. Uns erreichen immer wieder online Anfragen von Menschen, die Wissenswertes zum Thema Zwangsräumung suchen.

Sie beschreiben das unterschiedliche Prozedere bei Zwangsräumungen in verschiedenen Städten. Was ist das Kennzeichnende in Berlin?

Das Berliner Modell bedeutet, dass ein Vermieter, der die Räumung seiner Immobilie verlangt, sich nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. I ZB 135/05) zeitgleich auf sein Vermieterpfandrecht berufen kann.

Was bedeutet das konkret?

Bei der „klassischen“ Räumung der Wohnung ist der Gerichtsvollzieher für den Abtransport, die Verwahrung und Verwertung des Hausrats verantwortlich. Dadurch fallen neben den Gebühren für die Gerichtsvollzieher Speditions- und Lagerkosten an, die der Geräumte zu tragen hat. Beim Berliner Modell werden vom Gerichtsvollzieher nur die Schlösser ausgetauscht. Der Hausrat bleibt vorerst in der Wohnung. MieterInnen und VermieterInnen müssen eine Vereinbarung treffen, was damit geschehen soll.

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