Nummer gegen Kummer: Besorgt am Telefonhörer
Das Berliner Sorgentelefon „Nummer gegen Kummer“ bekommt kein Geld mehr vom Senat. Die Zukunft des Projekts ist ungewiss.
Wenn man in Berlin die Nummer gegen Kummer wählt, landet man beim Team von Sabine Marx. Sie leitet das Kinder- und Jugendtelefon, auch ein Elterntelefon gibt es. Auf der anderen Seite der Leitung nehmen sie alles ernst, „was jungen Menschen das Leben schwer macht“: egal, ob es um Liebeskummer oder Gewalterfahrungen geht.
Laut eigenen Angaben nimmt Marx’ Team jährlich etwa 10.000 Anrufe entgegen. Rund 100 qualifizierte Ehrenamtliche verschiedener Generationen bieten den Kindern und Jugendlichen anonyme Beratung.
Doch zum nächsten Quartal streicht der Senat die Finanzierung, berichtet Projektleiterin Marx der taz. Der Senat sei nicht mehr bereit, jährlich 100.000 Euro für das Projekt zahlen. Als Begründung habe der Senat auf andere Hilfsangebote, wie die Hotline des Notdiensts Kinderschutz, verwiesen. „Diese Hilfsstellen sind eine Ergänzung, aber kein Ersatz“, sagt Marx. Die Nummer gegen Kummer sei hingegen ein besonders niedrigschwelliges Angebot.
Neben Berlin sind über 70 weitere Standorte im bundesweiten Dachverband der Nummer gegen Kummer organisiert. Aber Ehrenamtlichen aus anderen Städten fehlt das Wissen über die konkreten Hilfsstrukturen vor Ort, an die Betroffene weitervermittelt werden können.
Das Bundesfamilienministerium unterstützt den bundesweiten Dachverband und hatte den Senat in einem Schreiben um den Erhalt der Hotline gebeten. Die einzelnen Standorte werden nicht vom Ministerium finanziert, Träger des Berliner Hilfetelefons ist das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Zu großen Teilen basiert die Finanzierung auf der Unterstützung durch den Senat, die nun wegfällt.
Kritik im Abgeordnetenhaus
„Die Streichung ist ein fatales Signal an Berliner Kinder, Jugendliche und Familien in Krisensituationen“, so die familienpolitische Sprecherin Marianne Burkert-Eulitz (Grüne). Ihre Fraktion fordert eine sofortige Rücknahme der Entscheidung. Auch ihr SPD-Kollege Alexander Freier-Winterwerb, hält den Schritt für unverantwortlich, da aktuell „psychische Gesundheit zunehmend in den Fokus rückt und die Belastungen für junge Menschen durch soziale Medien, schulischen Druck und familiäre Probleme steigen“. Statt Kürzungen fordert die Fraktion einen Aufwuchs der Mittel.
Besonders respektlos gegenüber dem Projekt, der Zielgruppe, aber auch den Ehrenamtlichen findet Sabine Marx die kurzfristige Absage eigentlich veranschlagter Mittel. Nur einen Monat vorher wurde die Förderung für den April gestrichen. In Medienberichten gab die Senatsbildungsverwaltung an, schon im Dezember Kürzungen angekündigt zu haben. Diese Darstellung weist Diakonie-Sprecher Sebastian Peters zurück: Der Träger habe erst „Ende Januar von einer 40-prozentigen Kürzung und dann Ende Februar von der vollständigen Einstellung der Förderung erfahren“.
Für die nächsten neun Monate versucht der Träger kurzfristige Gelder aus anderen Fördertöpfen zu organisieren. Doch ohne verlässliche Finanzierung durch den Senat könne die Hotline nicht weiter bestehen, warnt Projektleiterin Marx.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!