DIE REFORM DES SERBISCHEN BANKWESENS BIRGT VIELE RISIKEN: Notwendiger Kehraus
Die erste serbische Regierung nach der Ära Slobodan Milošević scheut kein Risiko, um dem Land wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Vor sechs Monaten lieferte sie den Exdiktator an das UN-Kriegsverbrechertribunal aus, um an dringend benötigte finanzielle Hilfen zu kommen. Jetzt erklärte sie die vier größten Banken des Landes mit über 8.500 Angestellten kurzerhand für bankrott. Wirtschaftlich ist die Entscheidung einleuchtend: Die Schulden der betroffenen Geldinstitute betragen über vier Milliarden Euro und wachsen täglich. Daher will sie auch niemand außer der Regierung kaufen – aber die hat nicht das notwendige Geld. Die Sanierungskosten allein würden über 30 Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes fressen.
Das Konkursverfahren ist mit erheblichen Risiken verbunden.Wirtschaftsexperten warnen vor einem „Dominoeffekt“: Mindestens 650 bei den zahlungsunfähigen Banken verschuldeten Unternehmen könnten in Kürze ebenfalls pleite gehen. Dabei konnte die Regierung schon in den vergangenen sechs Monaten nur mit äußerster Mühe eine Streikwelle verhindern. Andererseits wird die serbische Regierung bei einer Konkurswelle die betroffenen Unternehmen praktisch direkt unter die eigene Kontrolle bringen. Das wiederum würde Verkäufe an ausländische Interessenten erleichtern, da bisher ungeregelte Eigentumsverhältnisse dann keine Rolle mehr spielen würden.
Bevor es so weit kommt, droht jedoch noch einiger Ärger. Der jugoslawische Bundespräsident Vojislav Koštunica wird sich die Gelegenheit kaum entgehen lassen, um die serbische Regierung mit neuer Kraft zu attackieren. Ein weiterer Konflikt zwischen ihm und Serbiens Premier, Zoran Djindjić, der längst die ganze Macht im Lande an sich gerissen hat, scheint somit vorprogrammiert. Koštunicas Parteigenosse, der Bundesfinanzminister Jovan Ranković, bezeichnete die Liquidierung der Banken gestern bereits als „überstürzt und waghalsig“. Und der de facto längst entmachtete Koštunica selbst wirft Djindjić „totalitäre Machtmethoden“ vor und fordert vorgezogene Parlamentswahlen.
Tatsächlich ist der Premier Djindjić im chaotischen serbischen Rechtssystem und mit einer knappen Mehrheit im serbischen Parlament oft gezwungen, eigenwillig per Dekret zu regieren, um überhaupt etwas bewegen zu können. So weit, so gut – wenn diese komfortable Art des Regierens nicht zur Gewohnheit wird. ANDREJ IVANJI
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