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Nordkoreas Fußball-TeamKontrollierte Öffnung via Schweiz

Die rätselhafteste Mannschaft des Turniers hat keine Chance, aber die will sie nutzen. Denn zwei Schweizer Geschäftsleute wollen künftig nordkoreanische Fußballer im großen Stil exportieren.

Nordkoreas Mannschaft beim Training: "Tolle Systemspieler" Bild: ap

BERLIN taz | Über keinen WM-Teilnehmer wird so viel gerätselt wie über Nordkorea. Kaum einer weiß etwas über den Fußball dort zu erzählen. Kein Wunder. Die beiden großen Insider außerhalb von Nordkorea, Stephan Glaser und Karl Messerli, sind zu Hause geblieben.

Die beiden Schweizer Geschäftsleute haben sich einen exklusiven Zugang zum nordkoreanischen Fußball geschaffen. Sie gründeten die Firma "Friends of Korea" und kauften dem nationalen Verband im vergangenen Jahr die Transferrechte für alle nordkoreanischen Spieler für die Region Westeuropa ab.

"Natürlich hoffe ich jetzt auf Rendite nach der Weltmeisterschaft, ich habe ja einiges investiert", sagt Messerli, der dieses Projekt federführend vorantrieb. Welchen Preis er für die nordkoreanischen Kickerelite zahlen musste, darüber schweigt der Schweizer. Seine Gewinnerwartungen an die WM erscheinen angesichts der nordkoreanischen Gruppengegner kühn: Mit Brasilien, Portugal und der Elfenbeinküste stehen nur Hochkaräter auf dem Spielplan.

Aber der 63-Jährige sagt: "Die beste Chance hast du, wenn du vermeintlich keine hast." Organisiertes Kurzpassspiel, aus dem dann plötzlich der weite Pass auf die gefährlichen Spitzen erfolgt, so beschreibt Messerli den Stil der nordkoreanischen Nationalelf.

Messerli kennt sich aus mit den ostasiatischen Land. Seit 15 Jahren betreibt er dort bereits Handel. "In dieser Zeit habe ich mir das Vertrauen hoher Funktionäre erwerben können", sagt der 63-Jährige. Vieles hat er dort billig herstellen lassen und in der Schweiz teuer verkauft: Textilien, Plüschtiere und Agrarprodukte.

Keine moralischen Bedenken

Als ehemaliger Nationalspieler der Schweiz hat er sich eines Tages gedacht, dass das doch auch mit Fußballern funktionieren müsse. "Ich habe dort so viele Talente rumlaufen sehen", erklärt er. Folgt man den Schilderungen von Messerli, dann bekommt er vom nordkoreanischen Verband jedwede Unterstützung. Wie einem Kolonialherrn führen ihm die Sportfunktionäre die Schätze ihres Landes vor. "Wenn ich sage, ich möchte die U-20-Nationalauswahl gegen die U 21 spielen sehen, dann organisieren die mir diese Begegnung."

Im Gegenzug sorgten Messerli und Glaser dafür, dass die Nordkoreaner im Mai 2009 ein Trainingslager in der Schweiz beziehen konnten. Es war ihr erster Auftritt in Europa nach der WM 1966 in England. Während sich Nordkorea auf politischer Ebene immer wieder ins Abseits stellt und jüngst der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gar ein Flammenmeer in Aussicht stellte, verfolgt das Land auf der Ebene des Sports ein Konzept der streng kontrollierten Öffnung, um durch mehr Input von außen konkurrenzfähiger zu werden.

Politik ist Karl Messerli einerlei. Moralische Bedenken plagen ihn nicht. Seine Devise ist altbekannt. Er sagt: "Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer." Messerli sucht derzeit nach einem Schweizer Verein, den er "zur Drehscheibe für junge nordkoreanische Talente machen möchte". Einen Juniorenspieler hat er bereits zuletzt an Concordia Basel vermittelt.

Tolle Systemspieler

Das Sichtungssystem in Nordkorea bezeichnet Messerli als "herausragend". Bereits unter den 10-Jährigen würde die Elite erfasst werden, die in der Hauptstadt Pjöngjang im größten Stadion trainieren dürfe. "Das sind alles tolle Systemspieler."

Vielleicht bekommt Messerli bald den ein oder anderen WM-Spieler in Europa gewinnbringend unter:. "Die Nr. 9 und die Nr. 10 spielen ja schon außerhalb von Nordkorea", sagt der Geschäftsmann. Er meint den Stürmer Jong Tae Se, den wohl stärksten Nordkoreaner, der in Japan aufgewachsen ist und dort in der J-League aktiv ist. Und Hong Young Yo, der sein Geld in Russland verdient. Messerli behauptet: "Für beide haben bereits vor der WM deutsche Erstligisten Interesse bei mir angemeldet."

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