Nordderby in der Zweiten Bundesliga: Gestern Versager, heute ein Held
Der Rausschmiss von Trainer Stefan Leitl stand schon zur Debatte. Doch nach dem Sieg gegen den Hamburger SV kommt Hannover 96 wieder zur Ruhe.
Trotz des umjubelten Erfolgs am Freitagabend mochte Leitl seinen Frust nicht verbergen. Eben war er noch der angezählte Trainer, der nach einem soliden Saisonstart um seinen Job bangen musste. Und ein Nordderby später mit einem glücklichen Ende für Hannover 96 sollte alles wieder rosarot sein?
Mit Verlaub: Die vergangenen Tage bei Hannover 96 waren eine tadellose Beweisführung dafür, wie bescheuert der Profifußball eigentlich ist. Die Arbeit von Leitl wegen einer zwischenzeitlichen Niederlage im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld grundlegend infrage zu stellen, gehört in Hannover zu den üblichen Nervositäten der Branche, die auch in Hamburg bestens bekannt ist. Beide Vereine möchten unbedingt zurück in die Erste Bundesliga.
„Meine Jungs haben alles versucht. Und ich habe hier zwei Spitzenmannschaften gesehen“, sagte hinterher Leitl-Pendant Steffen Baumgart, der zuvor von der Seitenlinie den Antreiber einer HSV-Mannschaft gab, die viele gute Torchancen ausließ und ein Unentschieden verdient gehabt hätte.
Kein Schlafwagen-Fußball mehr
Die Frage, wer an diesem munteren Fußballabend wirklich besser war, ließ sich angesichts einer kuriosen Schiedsrichterleistung nur bedingt beantworten: Immer wieder hatte Patrick Alt die Partie unterbrochen, um eine gelbe Karte nach der anderen zu zeigen. Das lag einerseits an einem Unparteiischen, der bei den vielen Zweikämpfen ziemlich genau hingesehen hatte.
Andererseits lag es, vor allem in der ersten Halbzeit, am HSV, der das sehr leichtfüßige 96-Team immer wieder nur durch Foulspiele bremsen konnte. „Da war richtig Energie drin. Unsere Mannschaft hat funktioniert“, bilanzierte Hannovers Torhüter Ron-Robert Zieler den Auftritt seiner Vorderleute hinterher, deren Leistung in den Tagen zuvor von Hannovers Sportdirektor Marcus Mann noch als „Schlafwagen-Fußball“ eingestuft worden war.
Bemerkenswert bleibt, mit welchem Mut sich der Trainer in Hannover gegen sein vorzeitiges Beschäftigungsende stemmt. Leitl hatte seine Mannschaft nach der Pokalniederlage zu einem Straftraining gebeten und grundlegend durchgegriffen. In seiner Startelf gegen den HSV gab es gleich fünf Veränderungen. Das Risiko wurde belohnt.
Ist also Hannover 96 auf dem Weg zu einer Spitzenmannschaft? „Wir werden Spiele verlieren und auch mal ein Gegentor kassieren“, sagte Leitl mit leicht süffisantem Unterton. Er freute sich über einen Sieg, den ein verwandelter Foulelfmeter von Jessic Ngankam in der 49. Minute ermöglicht hatte. Der Stürmer war so laufstark und einsatzfreudig aufgetreten, als wollte er ganz allein den Beweis antreten, dass Hannover 96 alles andere als Schlafwagen-Fußball spielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!