: Noch mehr Kapitalismus
■ KP China: Neue marktwirtschaftliche Reformen. Keine Demokratisierung
Peking (AP/AFP) – Mit einer Verteidigung seiner marktwirtschaftlich orientierten Reformpläne hat Parteichef Jiang Zemin gestern in Peking den 15. Parteitag der chinesischen Kommunisten eröffnet. Dabei verteidigte Jiang die vom linken Flügel der KP teilweise heftig kritisierten Pläne zur Öffnung chinesischer Staatsbetriebe für marktwirtschaftliche Elemente und zur teilweisen Privatisierung des industriellen Sektors als spezielle Ausformung des chinesischen Weges zum Sozialismus. In der Großen Halle des Volkes in Peking beraten über 2.000 Delegierte eine Woche lang über die Richtlinien für die kommenden fünf Jahre und wählen am Ende ein neues Zentralkomitee. Jiang, der der KP Chinas seit dem Tod des alten Parteiführers Deng Xiaoping im vergangenen Februar vorsteht, hofft darauf, seinen Einfluß auszubauen.
Jiang verteidigte in seiner Eröffnungsrede die von den orthodoxen Marxisten besonders scharf kritisierte Ausgabe von aktienähnlichen Anteilen an Staatsbetrieben. Ein solches System sei nicht grundsätzlich privat. Es komme vielmehr darauf an, daß der sozialistische Staat die Kontrolle über die Entwicklung behalte, um Spekulationen kapitalistischer Art zu verhindern, sagte Jiang. Die Parteiführung und die hinter ihr stehende Gruppe pragmatischer Technokraten, die die Reformpläne ausgearbeitet haben, haben für ihr System die Losung geprägt: „Vielfältige Formen des Eigentums schaffen“.
Der Parteichef räumte ein, daß es auf dem neuen Weg zu zeitweisen Härten für Teile der Bevölkerung kommen könnte. So seien vorübergehende Entlassungen nicht immer zu vermeiden. Dies zahle sich aber in der Form größeren Wohlstands für alle aus. Die Gegner befürchten von dem neuen System aber millionenfache Arbeitslosigkeit.
Eine bevorstehende Militärreform wird die Arbeitslosenzahlen zusätzlich in die Höhe treiben. Bis zum Jahr 2000 soll die drei Millionen Mann starke Armee um 500.000 Soldaten verringert werden, kündigte Jiang in seiner Rede an. Bereits in den 80er Jahren waren die chinesischen Streitkräfte um eine Million Soldaten reduziert worden.
Trotz seiner wirtschaftlichen Reformbereitschaft erteilte Jiang aber jeglichen demokratischen Veränderungen nach westlichem Vorbild eine klare Absage. Jiang versuchte, die Konservativen mit einer harten Haltung in Fragen der gesellschaftlichen Ordnung und das Militär mit Drohungen gegen Taiwan auf seine Seite zu ziehen. Die Partei müsse sich die Aufgabe stellen, die Korruption zu bekämpfen und die Kluft zwischen Arm und Reich nicht weiter anwachsen zu lassen. „Es gilt, die Reformen im Gleichgewicht zu halten und ein stabiles politisches Umfeld und öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten“, sagte Jiang. „Wir müssen alle Faktoren beseitigen, die die Stabilität gefährden, uns der bourgeoisen Liberalisierung widersetzen und wachsam sein gegen das Eindringen subversiver und spalterischer Aktivitäten der internationalen und inländischen feindseligen Kräfte.“ – Auch die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte fällt für Jiang darunter.
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