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„No Taxation Without Representation“Als in Nigeria aus Damen Frauen wurden

Funmilayo Ransome-Kuti begründete mit Widerstand gegen koloniale Steuerpraktiken eine feministische Bewegung in Nigeria. Das wirkt bis heute nach.

Bis heute beeinflusst das politische Engagement von Funmilayo Ransome-Kuti feministische Bewegungen in Nigeria Foto: imago, Montage: taz

A ls Funmilayo Ransome-Kuti 1932 den Abeokuta Ladies Club gründete, hatte der zunächst wenig mit einer feministischen Bewegung zu tun. Nur gut gebildete, christliche Frauen der nigerianischen Mittel- und Oberschicht durften dem Verein beitreten. Die Mitglieder trafen sich für Handarbeitsrunden und Wohltätigkeitsarbeit. Sehr viel politischer wurde es, als Ransome-Kuti mit dem Klub großangelegte Alphabetisierungskurse für die Frauen auf den Märkten in Abeokuta organisierte.

1947 schrieb sie in der britischen Zeitung The Daily Worker: Die „wahre Lage nigerianischer Frauen müsste anhand der Frauen beurteilt werden, die Babys auf dem Rücken trugen und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang das Land bestellten, nicht anhand der Frauen, die Tee, Zucker und Mehl zum Frühstück hatten.“

Bis heute wird Ransome-Kuti trotz ihrer feministischen Erfolge oft auf ihre Rolle als Mutter des weltbekannten Musikers Fela Kuti reduziert. Ransome-Kuti kam 1900 als Tochter wohlhabender Eltern auf die Welt, denen Bildung für Mädchen und Jungen gleichermaßen wichtig war. An ihrer Sekundarschule war sie die erste Schülerin, später die erste Lehrerin. Außerdem fuhr sie in ihrer Heimatstadt und womöglich im ganzen Land als erste Frau ein Auto.

der anstoß

Wie beginnt Veränderung? In der Kolumne „Der Anstoß“ erzählen wir jede Woche von einem historischen Moment, der etwas angestoßen hat.

Je mehr Zeit Ransome-Kuti mit den Marktfrauen verbrachte, desto klarer wurde ihr, wie ausbeuterisch die Kolonialregierung mit ihnen umging. In der Wirtschaftsmetropole Abeokuta mussten Frauen ab 1918 anders als im Rest des Landes Steuern zahlen. Steuerpflichtig waren sie ab 15, Männer dagegen erst ab der Volljährigkeit. Die Steuern wurden mit körperlicher Gewalt eingetrieben und wenn die Marktfrauen kaum Geld verdienten, nahm man ihnen die Waren weg.

Die Abeokuta Women’s Union entsteht

„Wir hatten Gleichberechtigung bis die Briten kamen“, schrieb Funmilayo Ransome-Kuti im The Daily Worker und bezog sich dabei auf vorkoloniale Gesellschaften und Königreiche, in denen Frauen wichtige Positionen in der öffentlichen Verwaltung innehatten. Mit der Kolonialherrschaft endete das.

Mehr als 10.000 Frauen beteiligten sich an den Protesten gegen die Regierung

1946 öffnete sich Ransome-Kutis Klub für alle Frauen und wurde kurz darauf in Abeokuta Women’s Union umbenannt. Aus Damen wurden Frauen und aus einem Wohltätigkeitsklub eine feministische Organisation. Ihre Forderung: „No taxation without representation“ – keine Steuern ohne Mitbestimmung.

Mehr 10.000 Frauen beteiligten sich von 1946 bis 1949 an Protesten, die von Funmilayo Ransome-Kuti angeführt wurden. Die Revolte bewirkte die temporäre Abdankung des lokalen traditionellen Herrschers sowie Mandate im lokalen Rat. Zwei Jahre später wurde das teilweise rückgängig gemacht. Dennoch wuchs das Bündnis auch auf nationaler Ebene an und Ransom-Kuti kam als erste Frau in die Lokalregierung.

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Adefunmi Olanigan
Volontärin
Schreibt gerne über Wissenschaft und soziale Ungleichheit. Hat Biochemie in Würzburg und Leipzig studiert und danach bei der taz volontiert. Aktuell Redakteurin in der Wochentaz.
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