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Niederlande vor dem WM-ViertelfinaleSiege zum Heulen

Vor dem Spiel gegen Argentinien und Messi feilt Trainer Louis van Gaal an einer besonderen Strategie. Stimmung und Ergebnisse erlauben ihm vieles.

Die niederländischen Nationalspieler folgen den Anweisungen von ihrem Trainer Louis van Gaal Foto: John Sibley/reuters

Was für ein Empfang! Im Spalier und mit orangenen Fahnen wedelnd begrüßten die Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Teamhotels letzten Samstag den frischgebackenen Viertelfinalisten aus den Niederlanden. Shakiras notorische WM-Hymne dröhnte, während die orangenen Protagonisten unter enormen Kronleuchtern einliefen.

Memphis Depay, Nathan Aké, Virgil van Dijk mit schallendem Lachen. Eigentlich tanzten sie mehr über den eigens ausgelegten Teppich mit dem Logo des niederländischen Fußballverbands, manche alleine, andere Arm in Arm. Am Ende der Prozession mit Hüftschwung und geradezu seligem Lächeln: Louis van Gaal, der Bondscoach.

Anders als im Ausland kennt man den 71-jährigen in den Niederlanden schon länger nicht nur als unzugänglichen Kauz, der gelegentlich das „Feierbiest“ gibt. Selbst hierzulande aber hat man van Gaal, inzwischen zum dritten Mal auf der Oranje-Bank, selten so entspannt gesehen. Zum Strahlen hat der Bondscoach mit zunehmendem Turnierverlauf immer mehr Grund. Alles verläuft nach Plan, sein Team steigert sich von Match zu Match, wächst mit den Aufgaben und der Stärke der Gegner. Und der Mann, den sie in München einst „Tulpengeneral“ tauften, wirkt, als habe er es schon immer gewusst.

Wer den Weg der Niederlande durch diese Weltmeisterschaft verfolgt, kommt an zwei Auffälligkeiten nicht vorbei: zum einen, dass die Leistungskurve der elftal gänzlich anders verläuft als etwa 2014. Damals fegte sie, auch unter van Gaal, in einem unwahrscheinlichen Wirbel zum Auftakt den Weltmeister Spanien vom Platz, um sich danach eher durchs Turnier zu schleppen, den landestypisch turmhohen Erwartungen hinterherhinkend. Diese, und das ist der zweite Aspekt, kommen 2022 eher von innen: Es ist der Bondscoach selbst, der vom ersten Tag an das Ziel ausgab, er wolle wereldkampioen werden. Das bemerkenswerte: Sein Team scheint diese Vorgabe nicht als Ballast zu empfinden.

Ergebnisorientierter Stil

Diese Feststellung bedeutet nicht, dass sich Oranje mit Leichtigkeit über die katarischen Plätze bewegt. So viel swing wie bei der Rückkehr ins Hotel hat man in den bisherigen vier Matches selten gesehen. Van Gaals Turnierstrategie mag im Begriff sein aufzugehen, doch nicht zum ersten Mal, wenn die Niederländer mit ergebnisorientiertem Stil Erfolg haben, regt sich zu Hause der Weltschmerz der ewigen 4-3-3- Romantiker. An der Spitze der 18 Millionen Bondscoaches steht diesmal ein ehemaliger: Marco van Basten, der selbst nach der ersten Achtelfinal-Halbzeit gegen die USA bilanzierte: „Zwei geweldige Angriffe, der Rest war zum Heulen.“

Nach Abpfiff rang sich van Basten zum Fazit durch: „Wenn du gewinnst, hast du Freunde.“ Was sich einerseits auf die zunehmend versöhnliche Stimmung unter Oranje-Fans beziehen lässt. Im Hinblick auf den weiteren Turnierverlauf jedoch ist der interne Faktor Teamgeist wesentlich ausschlaggebender. Und der scheint derzeit ausgesprochen gut zu sein.

In den Niederlanden gab es nach dem Achtelfinale einige Aufmerksamkeit für die Tatsache, dass zahlreiche Spieler zusammen beten – und das Kinderkartenspiel UNO spielen. Van Gaal nimmt dem Vernehmen nach nicht an den Gebetsrunden teil. Doch der Moment, als er Matchwinner Denzel Dumfries nach dem USA-Spiel während der Pressekonferenz einen Kuss gab, ist symptomatisch für die liebreizende Stimmung.

In den Tagen vor dem heutigen Viertelfinale gegen den Mitfavoriten Argentinien hat van Gaal an einem Plan gearbeitet, Lionel Messi aus dem Spiel zu nehmen. Dass dieser bei gegnerischem Ballbesitz nicht viel beteiligt sei, sei eine Chance, sinnierte der Bondscoach unlängst. Für sein Team, diesmal deutlich weniger auf Ballbesitz gerichtet, wirft das die Frage auf, ob es von dieser Route nun abweichen wird. Klar ist derweil, dass der Defensive mit Nathan Aké, Virgil van Dijk und Jurriën Timber, bislang das Prunkstück des Teams, erneut eine Schlüsselrolle zukommt.

Dahinter wird Senkrechtstarter Andries Noppert versuchen, seine bemerkenswerte Turnierbilanz von nur zwei Gegentoren in vier Spielen zu halten. Der Keeper aus Heerenveen, der erst bei dieser Weltmeisterschaft debütierte, ist das beste Beispiel für gelungene Schachzüge van Gaals. Ersparen wollen wird er dabei seinem Schützling und sich selbst ein erneutes Elfmeterschießen gegen Argentinien. 2014, im Halbfinale, bedeutete genau dies das Ende der niederländischen WM- Träume.

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3 Kommentare

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  • War klar. Wenn es zum 11-Meterschießen kommt, hat Argentinien die Nase vorn.



    Was mich entsetzt hat ist, dass Messi 200 Mio Euro im Jahr bekommt.



    Das zeigt, welcher Wahnsinn im Fußball herrscht.



    Auch hier sollte man einen Deckel drauf machen!

    • @Herry Kane:

      Man sollte auch mal gönnen können...

    • @Herry Kane:

      Wenn Messi für jeden seiner Fans nur einen halben Euro im Jahr bekäme, dann wäre sein Jahreseinkommen wahrscheinlich höher. Das Problem mit der Kommerzialisierung des Fussballs ist bestimmt nicht, dass der Mensch, der inzwischen bereits mehrere Generationen von Jungen und Mädchen in allen Teilen der Welt inspiriert hat, einen Teil von dem Geld abbekommt, dass mit seinem Bild bewegt wird.