Niederlage für den Staatsschutz: Zozan G. behält Sorgerecht
Die kurdische Aktivistin Zozan G. behält das Sorgerecht für ihre Kinder. Politische Ideale der Eltern sind kein Grund für staatliches Eingreifen.
Der Bankkauffrau Zozan G. war vorgeworfen worden, sie stehe der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe und indoktriniere besonders ihre ältesten, 15 und 13 Jahre alten Töchter Solin und Lorin. Die 44 Jahre alte Deutsche, die als Kleinkind aus dem ostanatolischen Batman in die Bundesrepublik gekommen ist, bestreitet das. In Gang gebracht wurde das Familiengerichtsverfahren vom Staatsschutz, also der für politische Straftaten zuständigen Abteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Auslöser war eine Meldung aus Karlsruhe, nach der die Tochter Lorin während der Schulzeit an einem „Kurdenmarsch“ teilgenommen habe. Dabei soll sie eine Weste mit dem Bild des PKK-Gründers Abdullah Öcalan getragen haben. Der Staatsschutz Düsseldorf legte nach, Lorin habe zusammen mit anderen Aktivist*innen „Hausfriedensbruch“ im Landtag begangen – allerdings war die Gruppe schon an den Sicherheitsschleusen gescheitert. Außerdem habe sie „wahrscheinlich“ noch an einer weiteren prokurdischen Demo teilgenommen.
Das familiengerichtliche Verfahren, in dem Maßnahmen bis hin zur Entziehung des Sorgerechts drohten, hielt der Anwalt von Zozan G., Tim Engels, dennoch für völlig überzogen. Schließlich hatte auch das Oberhausener Jugendamt bestätigt, die Eltern G. kümmerten sich „um die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder gut“. Jurist Engels verwies außerdem auf die gängige Rechtsprechung, wonach dem Staat missfallende „gesellschaftspolitische Ideale“ der Eltern keinen Grund für einen Eingriff in deren „Erziehungsprimat“ darstellen.
Keine familienrechtlichen Auflagen
Entsprechend verzichtete das Gericht am Mittwoch auf familienrechtliche Auflagen. Die getrennt lebenden Eltern G., die sich das Sorgerecht teilen, verpflichteten sich im Gegenzug aber, ihre Kinder von verbotenen „Versammlungen“ fernzuhalten und Schulschwänzerei nicht zu dulden. „Das mache ich sowieso“, sagte Zozan G.: „Ich habe immer dafür gesorgt, dass meine Kinder in der Schule erfolgreich sind.“
Außerdem soll die Kinderschutzambulanz Hagen untersuchen, wie sehr die Kinder unter dem vom Staatsschutz befeuerten Verfahren gelitten haben. Insbesondere ihre jüngsten 3 und 6 Jahre alten Kinder hätten sich so sehr vor dem Verlust der Mutter gefürchtet, dass sie jede Nacht bei ihr im Bett schlafen wollten, sagt Zozan G. Und Lorin fühle sich verfolgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt