Niederländisch-türkisches Verhältnis: Parlament sieht „Völkermord“
Das niederländische Parlament stuft das Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich als Genozid ein. Die Regierung aber distanziert sich.
In der nun angenommenen Entschließung erkennt das Parlament „in eindeutiger Weise“ den „Völkermord an den Armeniern“ an. Die Abgeordneten beschlossen ebenfalls, dass künftig regelmäßig ein Regierungsvertreter zur Gedenkfeier in Armenien „für die Opfer des Völkermordes“ reisen solle.
Die niederländische Regierung kündigte nach dem Parlamentsbeschluss an, weiterhin „Zurückhaltung“ in der Völkermord-Frage zu üben. „Das Kabinett wird dem Parlament deshalb in dieser Angelegenheit nicht folgen“, erklärte die geschäftsführende Außenministerin Sigrid Kaag.
Die Regierung werde in der Völkermord-Frage wie bisher eine Festlegung vermeiden, fügte sie hinzu. Oppositionspolitiker warfen der Regierung daraufhin ein Einknicken vor der Türkei vor.
Das türkische Außenministerium erklärte, dass es den Parlamentsbeschluss „scharf verurteilt“. Die „unbegründete Entscheidung“ des niederländischen Parlaments werde „keinen Platz in der Geschichte“ finden. In einer Erklärung fügte das Ministerium in Ankara hinzu, dass es die Distanzierung der niederländischen Regierung „zur Kenntnis genommen“ habe.
Botschafter abgezogen
Die Türkei lehnt die Einstufung der Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern in den Jahren 1915 bis 1917 als Völkermord ab. Aus ihrer Sicht handelte es sich um einen Bürgerkrieg zwischen Türken und Armeniern, bei dem beide Seiten zahlreiche Opfer zu beklagen hatten. Die Armenier sprechen dagegen von einem systematischen Völkermord der osmanischen Führung der Jungtürken, dem 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen.
Im Juni 2016 hatte der deutsche Bundestag die Massaker an den Armeniern als Völkermord eingestuft. Dies löste eine schwere diplomatische Krise mit der Türkei aus.
Das Verhältnis zwischen der Türkei und den Niederlanden ist zerrüttet, seitdem die Niederlande im vergangenen März zwei türkische Minister daran hinderten, öffentlich kurz vor der niederländischen Parlamentswahl aufzutreten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten den Niederlanden wie auch Deutschland wegen der Auftrittsverbote „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.
Anfang Februar gab die niederländische Regierung bekannt, ihren Botschafter aus der Türkei endgültig abzuziehen. Als Grund nannte sie, dass Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen keine Einigung gebracht hätten. Der Botschafter war bereits seit März 2017 außer Landes.
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