Nichts mehr zu verlieren

Die größte Band der Welt aus Berlin, noch zwei größte Alternative-Rock-Bands der Welt mehr und eine Generation, die Kurt Cobain nur noch vom Hörensagen kennt: Surrogat, Ween und die Foo Fighters gaben in der Arena alles

Unter Bauern und Rockern heißt es „Ochsentour“, was die Berliner Band Surrogat in den vergangenen Wochen und Monaten unternommen hat. Eine Deutschland-Tour hier, ein Konzert auf der Nachwuchsbühne von Rock am Ring dort, ein Auftritt bei der Popkomm. in Köln, nun einer als Support der amerikanischen Alternative-Rock-Bands Ween und Foo Fighters in der Arena in Treptow. Gar nicht so leicht, „die größte Band der Welt“ zu sein (Patrick Wagner in Köln), wo doch noch immer so viele größte Bands der Welt folgen (Patrick Wagner, auch in Köln).

Gar nicht so leicht auch, einem Publikum gegenüberzustehen, das freundlich gesinnt ist, vor allem aber auf die Foo Fighters wartet. Da wollen selbst „Hits“ (Wagner) wie „Berlin liebt Dich“ und „Gib mir alles“ nicht so richtig funktionieren. Man klatscht höflich, Surrogat geben wie immer alles, wollen wie immer alles. Der Weg aber von Mitte in den Rest der Welt und ihre Stadien ist ein weiter – trotz der Unterstützung der Plattenfirma Motor Music, die vor kurzem Surrogats Album „Rock“ lizenziert und noch mal sozusagen neu herausgebracht hat. Patrick Wagner verabschiedet sich dann wie gehabt mit dem üblich gespielten Witz „Das war die beste Band der Welt“ und überlässt das Publikum wieder sich selbst. Vielleicht sind es 1.500 Leute, die die Arena leidlich füllen, vielleicht ein paar mehr, Rock scheint zumindest in dieser Bandkonstellation nicht besonders attraktiv zu sein. Immerhin sehen die meisten im Publikum so jung aus, als würden sie Nirvana gerade mal vom Hörensagen kennen.

Ween teilen dann das Leid von Surrogat, vielleicht aber auch, weil man die Band aus Pennsylvania kennt als eine Idee zu weird und auch als ein paar Grade zu gut und zu schlau für die Rockwelt. Ween haben ihren George Clinton verstanden und wissen, wie man Country-Songs einspielt, die haben ihren Benn gelesen und helfen beim Zusammenstellen von Bibliographien von tibetanischer Literatur und wissen natürlich auch, dass man sich mit allzu viel Können in einer Halle wie der Arena lieber zurückhält und schlicht nach vorne rockt.

Das aber hilft alles nichts: Richtig los geht es tatsächlich erst mit den Foo Fighters, der Nachfolgeband des einstigen Nirvana-Schlagzeugers Dave Grohl. Mit dieser fand Grohl schnell ins Leben zurück, geübt allerdings hatte er schon zu Nirvana-Zeiten, eigene Songs zu schreiben und zu komponieren. Mit seiner neuen Band hat Grohl den Frieden mit dem Popbusiness und der restlichen Welt geschlossen, dem Kurt Cobain sich immer verweigert hat: mit kraftvollen, sehr melodiösen und irgendwie netten Songs. Die kann man mit einiger Boshaftigkeit auch belanglos nennen, die dürften aber in ihren besten Momenten auch so manche Party retten. Kannte man Dave Grohl früher als eher schüchternen, zurückhaltenden Musiker, so gibt er jetzt den professionellen Frontmann und Hoster einer einigermaßen berühmten Band: Er scherzt mit dem Publikum herum, auch mit seinen Mitstreitern, und er fragt, was denn eigentlich aus Jingo de Lunch geworden sei? Das weiß natürlich keiner – ein guter Beweis dafür, dass sich hier mit Band und Publikum tatsächlich zwei Generationen gegenüberstehen. Schön aber ist, dass frühe Foo-Fighters-Songs wie „This Is A Call“ und „I Stick Around“ schon wie Grüße aus einer anderen Zeit klingen, geradezu wie Klassiker eines nicht weiter bedeutenden, aber irgendwie gute Laune und Gefühle auslösenden Poprock.

So ungefähr funktioniert es den gesamten Set über, immer nach vorn und nie zurück, das Leben geht schließlich weiter. Am Ende bleibt nur die Frage: Was macht eigentlich der Dritte im einstigen Nirvana-Bunde, Chris Novoselic? GERRIT BARTELS