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Nicht mehr behelligen

Eil-Klage soll Rasterfahndung auch in Hamburg stoppen. Schura empört über polizeiliche Fragen zur Religionsausübung  ■ Von Kaija Kutter

Die umstrittene Rasterfahndung wird ab heute Hamburger Richter beschäftigen. In einer Klage beim Verwaltungsgericht will die Strafrechtlerin Gül Pinar feststellen lassen, dass die entsprechende Anordnung vom 17. September „rechtswidrig“ war. Bis dies in der Hauptsache entschieden ist, soll die Polizei per Eilantrag daran gehindert werden, „Studierende mit polizeilichen Maßnahmen zu behelligen“.

Wie berichtet, werden in Hamburg zunächst 140, später noch mehrere hundert Studierende ausländischer Herkunft per Brief zu freiwilligen Gesprächen ins Polizeipräsidium geladen. „Gegen den Brief kann man nicht klagen“, sagt Pinar. „Aber gegen die anderen Folgen, die das polizeiliche Vorgehen hat.“ So sei einer ihrer Mandanten zum Gespräch gegangen, die Polizei habe trotzdem vier Tage später seinen Arbeitgeber mit Fragen behelligt. In anderen Fällen wurden auch Nachbarn und Mitbewohner befragt.

Die Anwältin stützt sich bei ihrer Argumentation auf eine Entscheidung des Landgerichts Berlin, das in der vergangenen Woche die dortige Rasterfahndung für rechtswidrig erklärte. „Diese Fahndung darf nur zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr gebraucht werden. Die Bundesregierung hat aber immer betont, dass keine Hinweise auf einen Anschlag in Deutschland vorliegen.“

Auch in Hamburg, wo drei der Piloten vom 11. September gelebt und studiert haben, sei die Lage nicht anders. Pinar: „Wenn die seit fünf Monaten nach Schläfern fahnden, zeigt, dass es nicht um unmittelbare Gefahrenabwehr geht.“ Aber dies müsse der Paragraf 23 des Hamburger Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) voraussetzen. Zwar ist es prinzipiell auch möglich, eine Rasterfahndung im Rahmen einer Strafermittlung anzuordnen. Doch dafür, so Pinar, hätte die Polizei einen juristisch anderen Weg gehen müssen: „Dem muss ein Richter zustimmen und ein konkretes Ermittlungsverfahren zu Grunde liegen.“

Unterdessen hat die Schura, der Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg, die Polizei aufgefordert, die „systematische Befragung von Menschen muslimischen Glaubens im Rahmen der Terrorfahndung“ sofort zu beenden. Wie berichtet, ist es Gegenstand der Kripo-Befragung, ob und wie oft die Studierenden beten oder zur Moschee gehen. „Diese Art der Befragung legt nahe, dass jemand um so verdächtiger ist, je religiöser er ist“, kritisiert der Schura-Sprecher Seyed Reza Hosseininassabdie. Das schüchtere Menschen ein und suggeriere, die islamische Religionszugehörigkeit an sich sei „supekt“ und Anlaß für polizeiliche Verfolgung.

Im Übrigen rät Norman Paech, Rechts-Professor an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), allen eingeladenen Studierenden, gar nicht erst zum Gespräch hinzugehen. Auf diese Weise gebe man den „Schwarzen Peter“ an die Ermittlungsbehörden zurück: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies nachteilige Folgen für den Aufenthaltsstatus hat. Und wenn doch, sollte man dagegen klagen.“

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