Neuwahlen in Frankreich: Die „Zauberlehrlinge“ Macrons
Emmanuel Macron hat die Parlamentsauflösung im kleinen Kreis vorbereitet. Dann wurde er von einem Berater verraten.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Diese Frage stellen sich in diesen Tagen viele Französinnen und Franzosen. Macron rief nach dem haushohen Sieg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei den Europawahlen am 9. Juni Neuwahlen schon für Ende Juni aus. Seine Ankündigung schlug auch im eigenen Lager wie eine Bombe ein.
Nicht einmal mit Regierungschef Gabriel Attal hatte der Staatschef vorab darüber gesprochen. Auf Fotos, die Macrons Fotografin Soazig de La Moissonnière in den sozialen Netzwerken veröffentlichte, ist der 35-Jährige Attal nach der Entscheidung mit versteinerter Miene und vor der Brust verschränkten Armen zu sehen.
Der Präsident sei ein „unnützes Risiko“ eingegangen, kritisierte der frühere Fraktionschef von Macrons Partei Renaissance, Gilles Le Gendre. „Ich finde weder in der Regierungsmehrheit noch in meiner Partei oder der Wählerschaft jemanden, der das billigt“, sagte er der Zeitung Le Monde.
Umfragen sagen dem RN von Frontfrau Marine Le Pen eine relative, wenn nicht sogar eine absolute Mehrheit in der neuen Nationalversammlung voraus. Bisher regierte Attal mit einer relativen Mehrheit. Das Ende seiner Regierung wurde frühestens im Herbst erwartet, wenn das Parlament die heiklen Haushaltsberatungen beginnen sollte.
Ein Berater verriet Macrons Coup
Macron hatte seinen Coup im Geheimen vorbereitet. Vier Männer, von Le Monde auch „Zauberlehrlinge“ genannt, sollen ihn dabei beraten haben.
Einer dieser Berater steht auf den Fotos von de La Moissonnière neben dem Präsidenten, der am Schreibtisch seine Rede für die Ankündigung von Neuwahlen schreibt. Es handelt sich um den früheren Journalisten Bruno Roger-Petit, der seit 2018 die Gedenkfeiern des Staatschefs organisiert. „BRP“ soll der Kopf der kleinen Gruppe gewesen sein, der auch Macrons früherer Redenschreiber, sein Kommunikationsberater und ein ehemaliger Senator der Konservativen angehörten.
Der 61-Jährige hatte sich in den vergangenen Jahren nicht nur um die Gedenkzeremonien gekümmert, sondern auch als Strippenzieher im Hintergrund gewirkt. So traf er sich 2020 zu einem Mittagessen mit Marion Maréchal, der Spitzenkandidatin der rechtsextremen Partei Reconquête bei den Europawahlen.
Drei Stunden vor der Fernsehansprache des Präsidenten soll er die bevorstehende Auflösung des Parlaments dem Starjournalisten des ultrarechten Fernsehsenders CNews, Pascal Praud, verraten haben.
Als Macron erfuhr, dass Roger-Petit Details der Parlamentsauflösung offen in Hintergrundzirkeln weitergab, wurde der Präsident mehreren Medienberichten zufolge wütend auf seinen Berater. Die Reise auf die Île de Sein trat er ohne Roger-Petit an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“