Neuwahl in Singapur: Lees letzte Schlacht
In Singapur lässt Premier Lee Hsien Loong in der Coronakrise vorzeitig wählen. Er erhofft sich davon ein letztes starkes Mandat.

Lim sprach damit bei der einzigen TV-Debatte des nur neuntägigen Wahlkampfes aus, was im Stadtstaat Singapur für alle Oppositionsparteien seit der Unabhängigkeit 1965 bittere Realität ist: Die People’s Action Party (PAP) hat bei allen Wahlen mindestens 90 Prozent aller Sitze gewonnen. Dabei sank ihr Stimmenanteil stetig niedriger, zuletzt allerdings lag er wieder bei 69,9 Prozent.
Die Regierungspartei profitiert nicht nur stark vom Mehrheitswahlrecht, sondern darf auch kurzfristig Wahlen ansetzen und Wahlkreiszuschnitte ändern. Bisher kam die PAP mit nur drei Premierministern aus.
Der amtierende 68-jährige Lee Hsien Loong ist der Sohn von Singapurs konservativem Staatsgründer und Übervater Lee Kuan Yew. Lee jr. setzte die Wahl mitten in der Coronakrise an, weil seine Regierung jetzt ein starkes Mandat brauche. Dabei hätte Lees Amtszeit noch bis Frühjahr 2021 angedauert: Er hatte angekündigt, sein Amt abzugeben, bevor er 70 Jahre alt wird.
Virtueller Wahlkampf
Weil größere Veranstaltungen wegen der Pandemie nicht erlaubt sind, fand der kurze Wahlkampf fast nur online statt. Die Opposition hatte keine Chance, sich in so kurzer Zeit effektiv zu organisieren. Außerdem hat sie mit einem Gesetz zu kämpfen, das angeblich gegen die Verbreitung von Fake News helfen soll. Es zwingt Betreiber von Webseiten, auf diesen Warnhinweise anzubringen, wenn die Regierung darauf Behauptungen für falsch hält.
Singapurs autoritär regierende PAP kontrolliert weitgehend Staat, Wirtschaft, Medien und Justiz und hat schon einige Oppositionspolitiker mit Verleumdungsprozessen in den Ruin geklagt. Doch irgendwann sorgte sich die PAP, die dem Stadtstaat zu großem Wohlstand verholfen hat, selbst um die Glaubwürdigkeit des von ihr dominierten Systems. Seitdem schickt die Regierung selbst einige Wahlverlierer aus der Opposition ins Parlament.
Bei der jetzigen Wahl fordern zehn Parteien die PAP heraus. Es ist erst das zweite Mal, dass die Opposition über Kandidaten für alle 93 Sitze verfügt. Bisher hatte nur die Arbeiterpartei (WP), für die auch der eingangs zitierte Lim antritt, sechs Abgeordnete. Einig ist sich die Opposition in der Ablehnung der von der Regierung angekündigten Mehrwertsteuererhöhung.
Die erstmals antretende Singapur Fortschritts Partei (PSP) wurde letztes Jahr von einem PAP-Abtrünnigen gegründet. Er gewann mit Lee Hsien Yang den jüngeren Bruder von Premier Lee als Mitglied. Der wirft seinem Bruder vor, die Ideale des Vaters verraten zu haben und Politik für die Eliten zu machen. Doch wollte er nicht selbst kandidieren. „Ich glaube nicht, dass Singapur einen weiteren Lee braucht“, sagte er.
Coronavirus trifft Arbeitsmigranten
Singapur ist bisher glimpflich durch die Coronakrise gekommen, zumindest die eigenen sechs Millionen Bürger betreffend. Doch das Virus machte auf die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der vielen Gastarbeiter aufmerksam. Rund 90 Prozent der bisher 45.000 Infizierten in Singapur sind ausländische Arbeitsmigranten.
Premier Lee erklärte die Pandemie zu Singapurs größten Herausforderung seit der Unabhängigkeit. Der Handels- und Finanzmetropole droht ihre größte Wirtschaftskrise. Viele dürften deshalb stabile Verhältnisse wählen statt einer unerfahrenen Opposition.
„Ich bin entschlossen, Singapur intakt und in gutem, arbeitsfähigem Zustand an das nächste Team zu übergeben“, versprach Premier Lee. Damit meinte er die vierte Führungsgeneration der PAP unter seinem auserkorenen Nachfolger Heng Swee Keat. Während der sich jetzt bei der Wahl beweisen muss, werden Lees Worte als Andeutung interpretiert, er können womöglich länger im Amt bleiben, sollte die Krise länger andauern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!