Neuseeland definiert Staatshaushalt um: Wohlbefinden über alles
Neuseeland verzeichnete 2018 die höchste Suizidrate seit Jahren. Nun investiert es Milliarden in die Bekämpfung von psychischen Krankheiten und Armut.
Finanzminister Grant Robertson kündigte an, mehrere Milliarden Dollar in die Bekämpfung von psychischen Krankheiten und der in Teilen des Landes endemischen Armut zu pumpen. Neuseeland ist nicht für alle ein Traumland: 2018 verzeichnete es die höchste Suizidrate seit Jahrzehnten.
Wellington hat die Parameter für den Haushaltsplan deshalb komplett neu definiert. Alle staatlichen Ausgaben werden danach bewertet, ob und in welcher Form sie dazu beitragen, fünf Ziele zu erreichen: die Verbesserung der psychischen Gesundheit, die Reduzierung von Kinderarmut, die Bekämpfung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen der europäischstämmigen Bevölkerungsmehrheit und den Maori-Urbewohnern, das Prosperieren des Landes im digitalen Zeitalter sowie die Transformation der Wirtschaft in eine emissionsarme, nachhaltige Zukunft.
Ministerien wurden angewiesen, ihre Strategien entsprechend anzupassen. Damit löst Premierministerin Ardern ein vor den Wahlen 2017 gemachtes Versprechen ein: soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auf dieselbe Stufe zu stellen wie wirtschaftliches Wachstum.
Weniger Produktivität, weniger Konsum
Laut dem Internationalen Währungsfonds soll die neuseeländische Wirtschaft 2019 um 2,5 Prozent wachsen, 2020 um 2,9 Prozent. Nicht alle Bewohner würden aber von der positiven Entwicklung profitieren, so Robertson. Tausende litten unter „milden bis moderaten psychischen Problemen“. Diese manifestieren sich auch wirtschaftlich – in Form von eingeschränkter Produktivität und reduziertem Konsum. 325.000 Menschen – etwa 6,6 Prozent der Bevölkerung – sollen deshalb künftig von einem neuen, landesweiten psychiatrischen Dienst profitieren.
Über eine stärkere finanzielle Unterstützung von Schulen will Premierministerin Ardern auch den Zyklus der gravierenden Kinderarmut brechen. Laut Unicef müssen 27 Prozent der neuseeländischen Kinder ohne die Notwendigkeiten des täglichen Bedarfs auskommen. Mit Präventivmaßnahmen will Wellington ein weiteres Problem angehen: Alle vier Minuten wird die Polizei zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen. Nicht zuletzt soll massiv in die Bekämpfung der Obdachlosigkeit investiert werden. Die Immobilien-Hausse der letzten Jahre hat zu rekordhohen Hauskosten und einem kritischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum geführt.
Sozialverbände und Experten reagierten überwältigend positiv auf das Budget. Es adressiere „die bestimmenden sozialen Faktoren psychischer Krankheiten wie Wohnen, Kinderarmut, Familien- und sexuelle Gewalt“, so die Mental Health Foundation. Die oppositionelle konservative Nationalpartei dagegen sprach von „Stil statt Substanz“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München