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Neulich auf LesereiseKulturgenuss auf ostfriesisch

Auf Lesereise in Ostfriesland durfte ich feststellen: Ein kluges Publikum habe ich – auch wenn es klein ist und erst zusammentelefoniert werden muss.

Unendliche Weiten für Schrift­stel­le­r*in­nen auf Lesereise: Ostfriesland – hier um und bei Leer Foto: dpa | Ingo Wagner

F ür eine Lesung fahre ich in ein ganz kleines Kuhdorf in Ostfriesland, obwohl im Fernsehen ein spannendes Pokalspiel läuft. Ich vertraue die Adresse Leyla an – das ist meine Navi –, mich vertraue ich Franz-Josef an – das ist mein Ford-Transit –, uns vertraue ich Allah an – das ist Gott –, und düse dann Richtung Ostfriesland los.

Nach ungefähr zwei Stunden Fahrt zwitschert Leyla mir sehr freundlich ins Ohr: „Mein lieber Osman, du hast dein Ziel erreicht!“

„Danke, liebe, allwissende Leyla!“

Der Veranstaltungsort ist gar nicht mal so schlecht – ein netter, großer Bauernhof. Eine jüngere Dame und eine etwas ältere Oma warten bereits sehnsüchtig auf mich.

„Oh, zwei nette Zuhörerinnen habe ich ja schon“, rufe ich erfreut, „das reicht mir völlig! Bloß nicht weggehen, ich werde hübsche Sachen lesen.“

„Was wollen Sie denn lesen, junger Mann, den Strom und das Wasser?“, fragt die Oma. Ganz schön gewitzt, wie ich finde. Mein Problem ist, dass alle denken, mir gegenüber witzig sein zu müssen, nur weil ich ein paar witzige Geschichten geschrieben habe.

„Witzige Geschichten über Strom und Wasser habe ich leider nicht“, sage ich grinsend.

Woanders bereiten sie das Büffet vor der Lesung vor – die Ostfriesen während der Lesung

Ein kluges Publikum habe ich, auch wenn es noch recht klein ist. Viel größer wird es innerhalb einer halben Stunde auch nicht mehr und ich lege mit der Lesung los. Daraufhin steht die Dame auf, geht in die Küche und fängt an zu kochen. Andere Länder, andere Sitten. Woanders bereiten sie das Büffet vor der Lesung vor – die Ostfriesen während der Lesung.

Die andere Hälfte des Publikums, also die Oma, macht den Fernseher an. Plötzlich klingelt mein Handy. Oh, wie peinlich! Ein Glück, dass das Publikum anderweitig beschäftigt ist.

Herr Pijke, der mich eingeladen hat, ist am Apparat: „Herr Engin, wo sind Sie denn?“, fragt er sehr aufgeregt.

„Herr Pijke, wo sind Sie denn?“, antworte ich irritiert.

„Ihre Zuhörer werden hier langsam unruhig“, meint er sorgenvoll.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Den beiden geht’s gut, die eine kocht gerade und die andere zappt durch die Kanäle. Aber ich versuche trotzdem tapfer weiterzulesen, wie mit Ihnen vertraglich abgemacht“, beruhige ich ihn.

„Sie lesen schon? Wo denn?“, brüllt Herr Pijke durch den Hörer. Nun werde auch ich etwas nervös und überlasse mein Handy der Oma, damit sie ihm die Adresse durchgibt.

„Herr Engin, Sie sitzen beim alten Bauern Fritz in der Stube! Und wir warten hier im Saal die ganze Zeit auf Sie“, dröhnt mir Herr Pijke danach ins Ohr.

„Aber die Leyla meinte doch, ich wäre hier richtig“, stammele ich erschrocken.

„Wer ist denn Leyla?“, brüllt er.

„Meine liebe Navi, die vielleicht doch nicht allwissend ist! Wie viele Leute warten denn bei euch auf mich?“

„Mit mir zusammen vier.“

„Herr Pijke, dann kommt doch alle hierher“, schlage ich vor, „Fritz’ Frau kocht gerade in der Küche was Leckeres und im Fernsehen fängt gleich das Pokalspiel an.“

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