Neukölln-Untersuchungsausschuss: Die AfD bleibt draußen
Auch im zweiten Anlauf erhalten die AfD-Kandidaten für den Berliner Untersuchungsausschuss keine Mehrheit. Der Ausschuss soll trotzdem starten.
Damit bleibt allerdings auch offen, ob sich der Ausschuss wie geplant am 3. Juni konstituieren kann. Denn das Berliner Gesetz über die Untersuchungsausschüsse schreibt eindeutig vor, dass „jede Fraktion mindestens durch ein Mitglied vertreten sein muss“. Im Vorfeld der Einsetzung des Ausschusses gab es allerdings Befürchtungen, dass Erkenntnisse aus dem Ausschuss von den AfD-Mitgliedern an rechtsextreme Kreise weitergegeben werden und diese damit die Arbeit des Ausschusses so konterkarieren könnten. Selbst die CDU teilte diese Sorge.
Der Untersuchungsausschuss soll sich mit zahlreichen unaufgeklärten rechtsextremen Brandanschlägen, Sachbeschädigungen und Bedrohungen in Neukölln zwischen 2009 und 2021 sowie mit Fehlern bei den polizeilichen Ermittlungen beschäftigen. Opfer der Straftaten waren vor allem Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Ein Tatverdächtiger war AfD-Mitglied.
Bereits bei einem Wahldurchgang vor zwei Wochen waren die beiden AfD-Kandidaten durchgefallen. Damals hatte die FDP-Fraktion, deren Redner den Ausschuss in der vorangegangenen Debatte noch als überflüssig bezeichnet hatte, überraschend gegen Brousek und Woldeit gestimmt. Da auch einzelne Mitglieder von Grünen und Linken anstatt sich zu enthalten gegen die beiden votierten und die AfD zudem nicht in voller Stärke im Parlament anwesend war, verfehlten die beiden Kandidaten die notwendige Mehrheit knapp. Auch beim zweiten Versuch am Donnerstag fehlte ein Mitglied der AfD-Fraktion coronabedingt, wie Fraktionschefin Kristin Brinker mitteilte – es war diese eine Stimme, die den Kandidaten am Ende fehlte.
Ansgar Hinz, AGH-Sprecher
Nach der ersten Schlappe hatte die AfD-Fraktion vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes geklagt; sie sah sich in ihren parlamentarischen Rechten beschnitten. Das Gericht hatte den Eilantrag am Mittwoch zurückgewiesen mit Hinweis auf die erneute Abstimmung am Donnerstag. Nach dem Scheitern auch im zweiten Anlauf kündigte Brinker an, die Fraktion werde ein weiteres Mal Klage einreichen.
Linksfraktion enthält sich
Woher die Stimmen gegen die AfD-Kandidaten kamen, ist angesichts der geheimen Wahl dieses Mal pure Spekulation, genauso wie die Frage, woher die 13-köpfige Fraktion die zusätzliche Unterstützung bekam. Die Linksfraktion, deren Neuköllner Mitglied Ferat Koçak selbst Opfer eines rechten Brandanschlags wurde, hatte Enthaltung verabredet, wie Innenexperte und Untersuchungsausschuss-Mitglied Niklas Schrader der taz am Freitag sagte.
Schrader begründete die Enthaltung seiner Fraktion damit, es sei wichtig, dass der Untersuchungsausschuss jetzt schnell anfangen könne zu arbeiten. „Wenn die Nicht-Wahl von Mitgliedern der AfD-Fraktion dies blockieren würde, würde sich die Aufklärung des Neukölln-Komplexes weiter verzögern. Das will ich nicht“, so der Linkenabgeordnete. Ziel sei es, schon vor der Sommerpause Akten anzufordern, damit „die Abgeordneten diese Zeit zur Einarbeitung nutzen können“.
Der Linken-Abgeordnete geht dennoch davon aus, dass die konstituierende Sitzung am 3. Juni stattfindet – dann ohne AfD-Mitglieder, denn die nächste Möglichkeit zu einer Wahl ihrer Kandidaten wäre erst in der nächsten Plenarsitzung am 9. Juni. Auch Ansgar Hinz, der Sprecher des Abgeordnetenhauses, sieht den Zeitplan nicht in Gefahr. „Der Ausschuss wird sich am 3. Juni konstitutieren“, sagte Hinz der taz am Freitag – das sei die Einschätzung sowohl des Abgeordnetenhauses wie auch des Ausschussvorsitzenden Florian Dörstelmann (SPD).
Schwer einzuschätzen ist allerdings, welche Folgen eine erneute Klage der AfD-Fraktion haben kann und bis wann darüber entschieden wird. Eine Sprecherin des Verfassungsgerichtshof teilte am Freitag mit, zu solchen Spekulationen könne man sich nicht äußern. Ein Klage der AfD-Fraktion war zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen.
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