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Neugestaltung der JagdgesetzeAnachronistische Privilegien

Kommentar von Stefan Adler

Naturschutzverbände fordern neue Regeln für die Jagd. Die Jäger hingegen pochen auf ihre Jagdrechte. Hier die Position eines Naturschützers.

Den Jägern gehen die neuen Jagdgesetze zu weit. Bild: dpa

I n Deutschland gibt es gut 360.000 Inhaber eines Jagdscheins, das sind gerade mal 0,44 Prozent der Bevölkerung. Dennoch ist ihr Einfluss auf Politik und Verwaltung erstaunlich groß. Dies ist aktuell an der Reform der Landesjagdgesetze in Bundesländern wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu beobachten. Obwohl die Länder lediglich von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, die sie auf Grund der Föderalismusreform seit 2006 besitzen, sind die Debatten zu diesen Prozessen gekennzeichnet durch eine hohe Emotionalität.

Nach dem Bundesjagdgesetz hat die Jagd vor allem eine dienende Funktion. Ziel ist die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen, also der Erhalt und die Verbesserung der Lebensräume für Wildtiere. Gleichzeitig soll eine Beeinträchtigung der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft durch Wildschäden vermieden werden.

Dies sind unterstützenswerte Ziele, doch wie sieht es mit deren Umsetzung aus? Im März dieses Jahres hat die Bundesregierung Zahlen zur Lage der Natur veröffentlicht. Ergebnis: Insgesamt 60 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten und 70 Prozent der Lebensräume befinden sich in einem schlechten oder unzureichenden Erhaltungszustand. Durch fehlende Nahrung und Deckung verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die meisten Tierarten – darunter auch viele Arten, die für die Jäger von Interesse sind.

Es gibt in Deutschland keine bundesweit einheitliche Erhebung von Wildschäden, weder auf dem Feld noch im Wald, zudem fehlt eine Zusammenführung der Daten. Deshalb kann nicht festgestellt werden, ob durch die Bejagung einzelner schadensrelevanter Tierarten wie Reh, Wildschwein, Rot- und Damhirsch die Wildschäden zu- oder abnehmen. Für ein ernst zu nehmendes Wildtiermanagement sind jedoch konkrete Schadensdaten unerlässlich.

Bild: Nabu
Stefan Adler

geb. 1980, hat Forstwissenschaften und Waldökologie studiert. Er ist als Waldreferent und Jagdexperte in der Bundesgeschäftsstelle des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) tätig.

Die Notwendigkeit der Jagd wird oft damit begründet, dass die fehlenden Großraubtiere wie Wolf, Luchs und Bär zur Regulation der Wildtiere notwendig sind. Doch können mit Hilfe der Jagd tatsächlich Wildtierbestände reguliert werden? Die Entwicklung der Abschusszahlen einiger Tierarten der letzten Jahrzehnte belegt, dass dies nicht möglich ist. So wurden in den 1930er Jahren in Deutschland ca. 40.000 Wildschweine, 650.000 Rehe, fast 2 Millionen Rebhühner erlegt und der in Nordamerika heimische Waschbär wurde zu dieser Zeit in Nordhessen ausgesetzt. Heute werden jährlich gut 600.000 Wildschweine, 1,2 Millionen Rehe und über 100.000 Waschbären, aber gerade mal 4.000 Rebhühner erlegt.

Bejagung hat kaum Einfluss

Obwohl all diese Tierarten bejagt werden, entwickeln sich deren Bestände demnach extrem unterschiedlich. Während Rehe und Wildschweine von der intensiven Landwirtschaft durch einen großflächigen Anbau von energiereichen Pflanzen profitieren, gehen andere Arten wie Rebhuhn und Feldhase stark zurück. Der Waschbär hingegen findet in weiten Teilen Deutschlands gute Lebensbedingungen und breitet sich trotz Bejagung aus. Dies zeigt deutlich, dass die Bejagung von Wildtieren kaum einen Einfluss auf deren Populationsentwicklung hat.

Der Deutsche Jagdverband und die Landesjagdverbände sind wie der Nabu anerkannte Naturschutzverbände. Doch die politischen Debatten zur Reform der Landesjagdgesetze machen die Unterschiede zwischen den Verbänden besonders deutlich. Während der Nabu erheblichen Reformbedarf an den seit gut 60 Jahre nahezu unveränderten Jagdgesetzen sieht, sträuben sich die Jagdverbände gegen jegliche Veränderung.

Ein Knackpunkt ist die Liste der jagdbaren Arten: Dem Bundesjagdgesetz unterliegen heute 145 Arten, davon ist fast jede dritte Art wie Habicht, Knäkente, Luchs und Wildkatze nach nationalen und europäischen Naturschutzgesetzen streng geschützt. Der Nabu bekennt sich zu einer naturverträglichen Jagd als einer Form der Landnutzung, wenn sie den Kriterien der Nachhaltigkeit entspricht und ethischen Normen nicht widerspricht. Nach dieser Systematik können in Deutschland derzeit 12 Arten gejagt werden. Dazu zählen Rehe, Wildschweine, Rothirsche und Stockenten.

Der Nabu tritt daher dafür ein, dass die Liste der jagdbaren Arten auf diese Tierarten eingeschränkt wird. Die Jagdverbände hingegen wollen noch mehr Tierarten ins Jagdrecht aufnehmen, darunter geschützte Arten wie Wolf, Kormoran und die verschiedenen Rabenvögel, die nur in einigen Bundesländern derzeit im Jagdrecht sind.

Jagdzeiten einschränken

Ein weiterer Streitpunkt sind die Jagdzeiten. Füchse, Waschbären, Wildkaninchen und Wildschweine dürfen in vielen Bundesländern ganzjährig bejagt werden. Eine Zeit ganz ohne Jagd gibt es bisher in keinem Bundesland. Dies wäre aber gerade in den kalten und nahrungsarmen Monaten im Winter und zu den Aufzuchtszeiten notwendig. Wir fordern eine Vereinheitlichung der Jagdzeiten auf die Monate September bis Dezember. Doch die Jagdverbände wollen an den bisherigen Jagdzeiten festhalten und beschwören Wildschweinplagen und die Ausbreitung von Seuchen herauf, wenn Füchse und Wildschweine im Winter nicht mehr bejagt werden können. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt allerdings, dass die derzeitige Form der Jagd die Wildschweinbestände weder begrenzt noch reduziert hat.

Die zunehmenden Probleme mit den Wildschweinen müssen in Zusammenarbeit mit den Landwirten gelöst werden. Vor allem die Ausweitung des Maisanbaus zur Energiegewinnung hat zu wachsenden Wildschweinpopulationen geführt. Eine Reduzierung der Maisflächen und mehr Vielfalt auch auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen könnten mit dazu beitragen, die Belastungen durch Wildschweine zu mildern.

Sollte zum Schutz von seltenen Arten auch die Jagd von Raubtieren wie Marderhund, Mink oder Waschbär erwogen werden, dann muss auf jeden Fall das Wildtiermanagement dem Naturschutzrecht unterliegen.

Blei und Fallen müssen weg

Viele weitere Punkte, die auch zu den Forderungen des Nabu gehören, werden bei den Überarbeitungen der Jagdgesetze kontrovers diskutiert: Verbot von bleihaltiger Munition, Fütterungsverbot von Wildtieren, kein Abschuss mehr von Hunden und Katzen, das Verbot der Bau- und Fallenjagd, Regelungen für die Laufzeit von Pachtverträgen sowie die Etablierung eines Wildtiermanagementsystems mit entsprechender wissenschaftlicher Begleitung. Anstatt konstruktiv mitzuarbeiten, verweigern sich die Jäger selbst aufwendig ausgehandelten Kompromissen, wie es aktuell gerade in Baden-Württemberg passiert.

„Unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung der nationalen und europäischen Naturschutzziele ist es daher, dass Naturschutz noch stärker als bisher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und gelebt wird“, so ein Fazit der Bundesregierung im Bericht zur Lage der Natur. Es ist mehr als fragwürdig, ob die organisierte Jägerschaft als anerkannter Naturschutzverband die gesamtgesellschaftlichen Ziele des Naturschutzes unterstützt. Die irrationalen Debatten der letzten Monate machen einmal mehr deutlich, dass es den Jägern vorrangig um die Verteidigung ihrer teils anachronistischen Privilegien geht.

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12 Kommentare

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  • uiui! jetzt wird die taz so richtig eklig? das blauäugige hypen grüner positionen, egal wie dämlich die auch sein mögen, nimmt schon geradezu groteske züge an.

     

    http://www.ljv-brandenburg.de/service/nachrichten/newsdetails/artikel/nabu-verbreitet-plumpe-antijagd-ideologie/

     

    ich halte das ehrlich gesagt für unseriös! wenn ihr schon nicht die lodenjockel zu wort kommen lassen wollt, dann versucht es doch mal bei http://www.landscape-ecology.uni-kiel.de/staff/dhoffmann

  • "Jagdzeiten einschränken

     

    Ein weiterer Streitpunkt sind die Jagdzeiten. Füchse, Waschbären, Wildkaninchen und Wildschweine dürfen in vielen Bundesländern ganzjährig bejagt werden. Eine Zeit ganz ohne Jagd gibt es bisher in keinem Bundesland." -- Einerseits genügt die Jagd nicht um die Bestände zu regulieren, andererseits soll sie eingeschränkt werden? Das erklären Sie bitte noch mal.

    "Sollte zum Schutz von seltenen Arten auch die Jagd von Raubtieren wie Marderhund, Mink oder Waschbär erwogen werden, dann muss auf jeden Fall das Wildtiermanagement dem Naturschutzrecht unterliegen." -- Und wie stellen Sie sich das vor? Soll für jedes Individuum einer invasiven Art erst mal ein Antrag beim NABU eingereicht werden, der dann genehmigt werden muss? Das ist doch lächerlich!

     

    "Blei und Fallen müssen weg " -- Das Verbot der Fallenjagd ist eine Riesenheuchelei des NABU! Eine bigotte Vorderung! Denn der NABU betreibt überall in Deutschland selber Fallenjagd! Und das ist auch richtig so, um Bodenbrüter vor Räubern zu schützen, die in Deutschland extrem auf dem Vormarsch sind. Hierzu zwei Links von dem feinen Herren Naturschützern am grünen Tisch:

     

    http://www.youtube.com/user/DJVJagdschutzverband

     

    http://www.ln-online.de/Lokales/Ostholstein/Graswarder-Kiel-blaest-zur-Jagd-auf-Mutterfuechse

  • "Bejagung hat kaum Einfluss " -- Wenn auf Betreiben von grüner Politik großflächig Energiepflanzen angebaut werden, stößt die Jagd tatsächlich an ihre Grenzen. Das ist aber kein Problem der Jagd, sondern grüner Politik. Sie können sich ja mal versuchen vorzustellen, wie die Verhältnisse aussähen, wenn nicht gejagd würde?

     

    "Ein Knackpunkt ist die Liste der jagdbaren Arten: Dem Bundesjagdgesetz unterliegen heute 145 Arten, davon ist fast jede dritte Art wie Habicht, Knäkente, Luchs und Wildkatze nach nationalen und europäischen Naturschutzgesetzen streng geschützt." -- Diese Tierarten stehen zwar im Jagdgesetz, haben aber gar keine Jagdzeit! Das heißst sie dürfen nicht gejagd werden, müssen aber "gehegt" werden. So steht es im Gesetz. Das bedeutet, dass diese Tierarten von Jägern gefördert werden MÜSSEN! Was hat der NABU dagegen?

  • Und wo ist der Standpunkt der Jäger? Wenn es um Umweltthemen geht, ist die taz doch oftmals sehr blauäugig? Die taz lässt hier ausschließlich den NABU zu Wort kommen.

     

    " Dennoch ist ihr Einfluss auf Politik und Verwaltung erstaunlich groß." - Ist das so? Könnte natürlich daran liegen, dass die Landwirtschaft und der Umweltschutz von der Jagd abhängig sind.

     

    "Es gibt in Deutschland keine bundesweit einheitliche Erhebung von Wildschäden, weder auf dem Feld noch im Wald, zudem fehlt eine Zusammenführung der Daten. Deshalb kann nicht festgestellt werden, ob durch die Bejagung einzelner schadensrelevanter Tierarten wie Reh, Wildschwein, Rot- und Damhirsch die Wildschäden zu- oder abnehmen." -- Bundeseinheitlich? Nein, aber Länderspezifisch und regional geregelt. Das ist auch gut so, denn dann werden nicht Tierearten vermehrt in Schleswig Hostein bejagt, die in Bayern Wildschäden verursachen. Die Natur ist nicht "bundeseinheitlich" sondern regional sehr unterschiedlich. Und auf länderspezifische Daten kann man auch zurückgreifen? Wo ist das Problem?

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Wer weiß, worauf diese "Jäger" sonst schießen würden, wenn sie ihre Mordlust nicht an Tieren auslassen dürften.

  • Im Artikel sind ein paar inhaltliche Fehler enthalten die ein falsches Bild zeigen. Es stimmt nicht das alle Landesjagdverbände anerkannte Naturschutzverbände sind. Jedenfalls nicht aus staatlicher Sicht ausser Ihre Oma hat sie anerkannt.

    Das der DJV anerkannt ist ahben sie nur dem Einfluß zu verdanken aber sicher nicht ihrem Naturengagement..

    Das die Populationsdichten landerübergreifend überwacht werden müssen ist längst überfällig. Wenn daran aber nur ein Jägerverband beteiligt ist sind sie genauso unsinnig und falsch wie bisher. Bisher können sie lediglich belegen wieviele Tiere sie jährlich ermorden. Geschützte Arten und Haustiere oder gar menschliche Opfer dieses abstrusen Hobbies kommen darin nicht vor. Auch sind die Zahlen aufgrund des verbreiteten Schwarzhandels mit Wildfleisch mehr als unzuverlässig. Denn es tauchen ebenfalls nur gemeldete Abschüsse auf. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein. Zuerst muss man ihnen die Macht und den Einfluß nehmen will man die Natur effektiv für die restlichen 99,6% der Bevölkerung schützen und erhalten.

  • Jäger sind bekanntermaßen überhaupt nicht kritikfähig. Und da es sich bei dem Hobby "Jagd" um reine Lustbefriedigung handelt (psychologisch ist dies bereist hinlänglich bekannt) scheuen sie natürlich jegliche Einschränkung, die ihnen das Ausleben dieser Sucht erschweren oder einschränken könnte.

    Die Jagd als notwendig darzustellen, ist wissenschaftlich längst als reiner Unfug erwiesen worden. Wären da nicht die bekannten Lobbyisten stets am Werk um diese veraltete tierquälerische Tradition zu erhalten, hätte man diese fragwürdige Art der Freizeitbeschäftigung längst besser unter Kontrolle, bzw. schon gänzlich verboten.

    Wir wünschen uns mehr Politiker, die einmal erkennen, was wirklich hinter der Fassade

    des Begriffs "Jagd" steckt und wünschen gleichzeitig unseren Reformern viel Erfolg bei der längst überfälligen Neugestaltung dieser veralteten Gesetze, die noch überwiegend aus Görings Feder stammen.

    R.P. / Natur ohne Jagd e.V.

  • An was liegt das? Das liegt daran, dass sich die Jäger vielleicht nach außen gerne als Naturschützer geben, dies aber dann letztlich doch eher nur eine Ausrede ist um der Jagd nachgehen zu können und in das Gefühl der Pirsch, des Auflauerns und des Abschusses zu kommen.

  • Die Bleidebatte ist bei Büchsengeschossen blanker toxikologischer Unfug.

     

    Und beim Schrot wäre es auch möglich die Bleilegierungen (darum geht es eigentlich!) durch wesentlich schlechter wasserlösliche Legierungen zu ersetzen.

    Wegen der endballistischen Eigenschaften von Geschossen mit Bleikern sehe ich in einem "Bleiverbot" einen Beitrag zu mehr Tierquälerei.

     

    Glück auf!

     

    Karl

    • @KarlM:

      Erzählen sie diesen Unsinn den jährlich an Bleivergiftung verendeten Raubvögeln. Darunter die meisten Seeadler Berlins. Dies ist im Sinne der Jäger natürlich keine Tierquälerei, denn diese Tiere stehen glücklicherweise nicht nicht auf der Liste der jagdbaren Tierarten auch wenn sich die Jäger bemühen auch diese unter ihre Fittiche zu bekommen damit die Ausrottung dieser Beutekonkurenten nur noch als Ordnungswidrigkeit gilt. Jäger sind leicht durchschaubar.

      • @Wildtierschutz:

        Wir haben derzeit soviele Seeadler rund um Berlin wie seit Jahren nichtmehr. Und wer sagt denn, dass die Seeadler verendet sind, weil das Blei aus Munition stammt? Das macht nur der Nabu. Es wird nämlich NIE untersucht, woher das Blei kommt. Und nur, weil das schlaue IZW das irgendwann mal in die Welt gesetzt hat, wird es auch nicht wahrer. Im Übrigen: Sie sind durchschaubar, lächerlich

      • @Wildtierschutz:

        Köenne Sie lesen? Wahrscheinlich nicht, oder übersteigt meien Antwort Ihr Verständnisvermögen?

        Ich habe explizit darauf verwiesen für die Wasserjagd keine leicht löslichen Bleiverbindungen mehr zu verwenden...

         

        Glück auf!

         

        Karl