Neues vom Hamburger Zeitungsmarkt: Abendblatt auf Diät
Weil die alte Druckerei schließt, erscheint das Blatt im kleineren Rheinischen Format. Damit verliert die bürgerliche Zeitung ihre gewohnte Üppigkeit.
L iebling, sie haben die Zeitung geschrumpft, war der spontane Gedanke, als Donnerstag früh die morgendliche Hauslektüre auf dem Frühstückstablett lag. Milchigere Farben, kleinere Schrift, und das Format stimmte nicht. Normalerweise lag die kleine taz zusammengefaltet im großen Hamburger Abendblatt. Die eine mit ihrem Titellogo in Kirschrot, das Blatt mit einen durchgezogenen, moosgrünem Balken. Der ist auf einmal nur noch hauchdünn, die ganze Zeitung kaum größer als die linke Konkurrenz.
Hassliebe wäre zu viel gesagt, aber die Autorin verbindet viel mit dem Abendblatt. Es ist kontinuierlicher, verlässlicher Informationslieferant zum einen. Dass in Hamburg die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, wird vermeldet. Dass Taylor Swift als Wachsfigur ins Panoptikum an der Reeperbahn kommt, auch. Und auf der Meinungsseite kommt Ex-Uni-Präsident Dieter Lenzen als „einer der klügsten Köpfe der Stadt“ zu Wort, der über das Hamburgischsein schreibt. Kleiner Tipp: Understatement gehört dazu.
Ein Kästchen auf der Titelseite klärt auf. Informiert, dass die Zeitung fortan im neuen Format erscheint. Ein Lesertelefon bietet Auskunft an. Leider löst der frühere Besitzer, der Springer-Verlag, seine Druckerei in Ahrensburg auf. Alternativ fand die seit 2014 zur Funke-Medien-Gruppe gehörende Zeitung eine Druckerei im gut 200 Kilometer entfernten Braunschweig. Und die kann das alte „Nordische Format“ nicht drucken. Deshalb erscheint die Zeitung im „Rheinischen Format“. Man sei selbst traurig darüber, heißt es am Telefon.
Doch die neue Zeitung habe nicht weniger Inhalt, verspricht Vize-Chefredakteur Berndt Röttger auf abendblatt.de. Man erhöhe die Seitenzahl auf 36. Täglich erscheinen nun Nachrichten aus dem Norden in einem eigenen Teil. Auch wird der Redaktionsschluss für die gedruckte Zeitung nach vorn verlegt. Das ganze sei „kein Sparprogramm“. Lediglich die Überschriften und der weiße Rand werden „deutlich kleiner“, schreibt Röttger, „wir nutzen das Papierformat also besser aus.“
Völlig überflüssige Informationen
Stimmt die Küchenwaage, dann ist das neue Druckerzeugnis etwa 35 Gramm leichter. Multipliziert mit der bei Wikipedia genannten Auflage von 115.755 Exemplaren, spart das täglich rund vier Tonnen Papier.
Aber die Anmutung dieser Zeitung ist schon eine andere geworden. Die Schrift drängt unten fast aus dem Rand, die im Formatvergleich nun ungewöhnlich großen und grellen Anzeigen lassen den Inhalt nebensächlich erscheinen. Es ist die wichtigste Zeitung am Platz. Die mit den meisten Exklusivgeschichten der Stadtregierung, im Gegenzug schimpft sie mancher regierungstreu. Die mit einem Hang zu rechter Law-and-Order-Kampagne, etwa wenn es um Jugendliche mit Problemen geht. Die, wo es von Belang ist, wenn das Marketing möchte, dass eine Straße nach einem umstrittenen Modemacher benannt wird. Die, die schlicht von allen bürgerlichen Verwandten gelesen wird, sprich, die das Bürgertum vertritt.
Ganz ohne dieses Druckerzeugnis wird Hamburg keinesfalls sein. Die Zeitung, so hört man, soll auf jeden Fall weiter auf Papier erscheinen. Nachdem die Hamburger Morgenpost nur noch am Wochenende in Papierform erscheint und die taz ähnliches plant, wird sie die einzige tägliche Zeitung für Hamburger sein, die gern Papier zwischen den Händen haben, das nicht Bild-Zeitung heißt.
Aber ein Verlustgefühl ist es schon, so viel weniger Papier in den Händen zu halten. Die Zeitung erschien damit immer so üppig, so opulent. Sie informierte völlig überflüssig, mit großzügigen Fotos layoutet, auch über die wohlhabende Welt. Über edle Restaurants, zu denen die Autorin niemals hingehen würde, und über Ferienimmobilien an Nord- und Ostsee, die sie nie kaufen könnte.
Und als die Energie knapp wurde, hätte sie beinahe eine Presse gekauft, mit der sich aus Zeitung Briketts formen lassen. Es kam mit dem Abendblatt auch einfach täglich eine schöne Menge Wertstoff ins Haus. Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“