Neues Urheberrecht und Uploadfilter: Einfach rausgefiltert
Das Bundeskabinett beschließt einen Entwurf für das neue Urheberrecht. Dass es nun doch Uploadfilter geben soll, bricht einmal mehr ein Versprechen.
Ja, vielleicht ist sie wirklich unmöglich, die Quadratur des Kreises: ein Urheberrechtsgesetz, das sowohl Künstler:innen als auch Nutzer:innen – die ja heute teilweise identisch sind – gleichermaßen glücklich macht und, na ja, auch die die Rechte verwertenden Unternehmen nicht komplett außen vor lässt. Aber ein bisschen mehr Ambitionen, den Kreis in Richtung Quadrat zu formen, hätte die Bundesregierung schon zeigen können bei der Novelle des Urheberrechts, die sie diese Woche beschlossen hat.
Was bisher geschah: Die EU hat 2019 das Urheberrecht reformiert, weil es in seiner alten Version mehr mit Magnetbändern und Steintafeln als mit Streamingplattformen und Memes zu tun hatte. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die neuen Regeln nun umsetzen. Doch weil die EU keine Verordnung, sondern nur eine Richtlinie beschlossen hat, haben die Staaten dafür Spielräume.
Diese Spielräume können sie nutzen, um die Regeln zu verschärfen oder zu lockern oder zu spezifizieren. Oder einfach, um – verwegener Gedanke – ein Versprechen einzuhalten, das vor einigen Jahren gegeben wurde. Nämlich: Uploadfilter wird es nicht geben. Das hatte die CDU im Jahr des EU-Beschlusses zugesagt, als Reaktion auf eine massive Protestwelle von Nutzer:innen, die damals europaweit gegen die Details der EU-Urheberrechtsreform auf die Straße gingen.
Uploadfilter sind vor allem deshalb so umstritten, weil Algorithmen hier eine Entscheidung übernehmen sollen, die eigentlich ein Mensch treffen müsste. So sollen sie urheberrechtlich geschütztes Material erkennen, und – zum Beispiel – ein Video, in dem dieses Material rechtswidrig verwendet wird, schon beim Hochladen sperren.
Keine Unterscheidung zwischen Raubkopie und Parodie
Die Probleme dabei sind zahlreich: Algorithmen können beispielsweise nicht erkennen, ob ein Videoausschnitt, ein Bild oder eine Textpassage keine illegale Raubkopie, sondern Teil einer völlig legalen Parodie ist. Oder eines Zitats. Zudem passierte es schon in der Vergangenheit, dass Fernsehsender ihr gesamtes gesendetes Material in den Urheberrechtsfilter einspeisten – ohne zu prüfen, ob sie auch an allem die Rechte haben.
Die Bundesregierung hätte die Filter damals eigentlich schon auf EU-Ebene verhindern können und sollen, hat das aber nicht getan. Stattdessen gab es eine Posse um eine komplett unverbindliche Protokollnotiz, die sinngemäß sagte: Uploadfilter sollten vermieden werden, falls sich das einrichten lässt. Das war bequem, sollte vermutlich guten Willen gegenüber den Nutzer:innen zeigen und gleichzeitig die Industrie nicht verärgern. Dass es bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht anders werden wird – hat das eigentlich die CDU selbst geglaubt?
Als wäre die CDU eine Oppositionspartei
Wer es nachlesen will: Der Satz „Es wird keine Uploadfilter geben“ steht heute noch so auf der Website der Partei. Darüber ein aktuelles Update von dieser Woche, in dem es heißt: „Unser Anliegen, Uploadfilter komplett unnötig zu machen, konnten wir nicht vollständig umsetzen.“ Was ein bisschen lustig ist, weil es klingt, als wäre die CDU eine kämpferische Oppositionspartei oder maximal ein kleiner Koalitionspartner, der sich halt im Zweifelsfall dem großen beugen muss.
Entsprechend ist auch die Rezeption im Internet eher fassungsloses Kopfschütteln. Die maximale Länge, dass ein Text in der Regel nicht automatisch gesperrt werden darf, wurde von ursprünglich vorgeschlagenen 1.000 auf 160 Zeichen gesenkt. Ein Tweet kann länger sein. Die ehemalige Europaabgeordnete Julia Reda weist darauf hin, dass selbst der volle Name der EU-Urheberrechtsrichtlinie 220 Zeichen lang ist.
Hoffnung jetzt auf dem Bundestag
Und noch eine Verschärfung: Die Nutzung fremden Materials für eine Karikatur, eine Parodie oder ein Pastiche soll nur dann legal sein, wenn sie „in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“. Was so ein Zweck sein soll? Tja.
Weil Großdemonstrationen bis auf Weiteres ausfallen, beruht die Hoffnung jetzt auf dem Bundestag: dass die Abgeordneten im Gesetzgebungsprozess zumindest die jüngsten Verschärfungen wieder zurückdrehen. Falls nicht, weisen Verbraucherschützer:innen bereits auf einen letzten möglichen Ausweg hin: den Europäischen Gerichtshof.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels