Neues Stadion für Holstein Kiel: Kein Baubeginn in Sicht

Zu wenig Plätze für Fans und Gäste: Der Fußball-Zweitligist Holstein Kiel braucht eine neue Spielstätte. Schon seit Jahren wird darüber diskutiert.

Panorama des Kieler Stadions

Hübsche Kulisse, die aber bald durch einen Neubau ersetzt werden soll: Holstein-Stadion in Kiel Foto: Frank Molter/dpa

RENDSBURG taz | Ein Kongresscenter, ein Parkhaus, ein Sportartikelshop: Es waren große Pläne, die Gerhard Lütje, Aufsichtsrat und Sponsor des Sportvereins Holstein Kiel, im Mai 2017 verkündete. Dass der Verein ein neues Stadion braucht, steht fest: Die Fußball-Männer spielen seit sechs Jahren in der Zweiten Bundesliga, sogar der Aufstieg in die Erste Liga schien in Reichweite.

Doch dafür sieht die Deutsche Fußball-Liga (DFL) einige Regularien vor, die die veralteten Gebäude nicht erfüllen. Inzwischen hat sich Sponsor Lütje zurückgezogen, nun will die Stadt selbst als Bauherrin einspringen. Doch die Politik tut sich schwer damit.

31.342 – so viele Menschen jubelten am 23. Mai 1951 im Stadion der „Kieler Spielvereinigung Holstein von 1900“ im Norden der Landeshauptstadt. Dieser Zuschauerrekord lässt sich längst nicht mehr erreichen. In den 1970er-Jahren verkaufte der Verein aus finanzieller Not Gelände und Gebäude der Stadt, die selbst in roten Zahlen steckt. So blieben Reparaturen liegen, und die Zahl der zugelassenen Zu­schaue­r*in­nen sank. Bereits in der Saison 2005/06 forderte die DFL umfangreiche Sanierungen, ansonsten drohte der Verlust der Lizenz für die Dritte Bundesliga.

Die Debatte verschärfte sich erneut, als die Kieler „Störche“ in die Zweite Liga aufstiegen. Dafür muss ein Stadion eigentlich 15.000 Personen Platz bieten, in Kiel sind es nur 12.000. Auch bei weiteren Details hapert es. Im April verlängerte die DFL die Ausnahmegenehmigung für die Spielzeit 2023/24.

Investor wollte autogerechtes Stadion

„Wir erfüllen bis auf die Anforderungen an die Stadioninfrastruktur alle elementaren Voraussetzungen und können ein weiteres Jahr in diesem herausfordernden Umfeld planen“, so Präsident Steffen Schneekloth in einer Klubmitteilung. Doch die Liga verlangt im Gegenzug, dass es nun endlich losgeht.

Die Planungen begannen lange vor dem Aufstieg in die Zweite Liga: „Insgeheim arbeitet man in Kiel schon seit Jahren an einer großen Stadion-Lösung“, schrieb das Flensburger Tageblatt 2017. Der Verein selbst lehnt es zwar ab, das Stadion wieder zu übernehmen: „Daran sind schon andere erstickt“, sagte Holstein-Geschäftsführer Wolfgang Schwenke. Doch die Stadt, der Sponsor Lütje und Daniel Günther, damals CDU-Spitzenkandidat und heute Ministerpräsident, sagten damals zu, „ihren Beitrag zu leisten“.

Als Aufsichtsrat gab Lütje Pläne vor, die vor allem auf das Auto setzten. „Das Auto spielt im Leben der Menschen eine große Rolle“, sagte der Chef der „Citti“-Einkaufsmärkte in einem Interview im März, bei dem er die kostenlosen Riesen-Parkflächen rund um seine Läden als einen Erfolgsfaktor nannte. Entsprechend autogerecht sollte auch das Stadion-Umfeld aussehen.

Dafür wurden im Februar 2022 bereits Kleingartenparzellen planiert, obwohl die Baupläne noch im Genehmigungsverfahren waren – „wie es Kieler Tradition entspricht“, heißt es spöttisch auf der Internetseite „Parzelle 556“, die von der BUND-Kreisgruppe Kiel betrieben wird: In Kiel waren vor einigen Jahren für den Bau eines Möbelmarktes am Stadtrand Kleingärten vernichtet worden.

Grüne wollen klimaneutrales Stadion

Gegen die Pläne des Sponsors gründete sich eine Initiative von Anwohner*innen, die sich inzwischen wieder aufgelöst hat. „Nach zwei Jahren war die Luft raus“, sagt Anwohnerin und BI-Initiatorin Katrin Sewell. Die Gruppe hatte einen Hamburger Anwalt beauftragt – keine Kieler Kanzlei sei bereit gewesen, sich gegen Lütje zu stellen –, doch dessen Stellungnahme sei von der „Stadt Kiel in wirklich allen Punkten abgelehnt“ worden.

Doch als im vergangenen Jahr die Bau- und Energiekosten stiegen, zog sich Lütje zurück. „Ich glaube nicht, dass es wieder gelingt, einen privaten Investor zu gewinnen“, sagte Kiels Bausenator Gerwin Stöcken (SPD) bei der Ratsversammlung im Februar. Daher müsse die Stadt selbst das Projekt organisieren.

Darüber herrscht Streit im Stadtrat: Die Grünen erwarten „einen klimaneutralen Betrieb und zeitgemäße Konzepte, die die Klimabilanz optimieren und auf nachhaltige Baustoffe und Bautechniken setzen“, so Ratsherr Arne Stenger. Er wünscht sich eine Mehrfachnutzung der Gebäude, immerhin sei das Stadion „an über 300 Tagen ohne Spielbetrieb“.

Für einen „Neustart“ in der Planung ist auch Rainer Kreutz (CDU), der sich bei der Ratsdebatte aber klar für ein Parkhaus und Eventräume aussprach. Der Liga-Erhalt solle aber nicht am Stadion scheitern: „Fußball ist nicht nur nice to have, sondern gehört zu Kiel.“

Doch dann solle der Verein auch selbst zahlen, findet Ove Schröter von „Der Partei“: „Es heißt, die Landeshauptstadt brauche ein modernes Stadion. Dem ist nicht so, der Verein benötigt es. Warum soll Kiel in die Verantwortung genommen werden, warum nicht der Verein selbst?“, fragte Schröter in der Ratsdebatte. Auf die „riesige Langzeitfußballwette“ werde sich seine Fraktion nicht einlassen.

Mit den An­woh­ne­r*in­nen habe die Stadt übrigens bisher nicht gesprochen, berichtet BI-Gründerin Sewell. „Man gewinnt den Eindruck, alles zum Thema Stadion ist unantastbar.“ Wie und wann genau es weitergeht, steht noch nicht fest. Der nach der vergangenen Kommunalwahl neu zusammengesetzte Kieler Stadtrat befasst sich in seiner Sitzung Mitte Juli auf Antrag des SSW damit, die Interessengemeinschaft Holstein-Stadion in die Planungen einzubeziehen.

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