Neues Stadion für Hertha: Bye bye Olympiastation
Vor der Mitgliederversammlung von Hertha und dem Sportausschuss im Abgeordnetenhaus wurden am Dienstag die Weichen für ein neues Hertha-Stadion gestellt.
Vor Monaten noch wäre es undenkbar gewesen. Seit dieser Woche aber ist es ein Stück wahrscheinlicher geworden, dass Hertha BSC sein heiß ersehntes neues Fußballstadion bekommt. Das zumindest ist eine mögliche Interpretation des Treffens von Verein und Senat am vergangenen Dienstag.
Getroffen hatten sich Innen- und Sportsenator Andreas Geisel (SPD), sein Staatssekretär Aleksander Dzembritzki sowie Hertha-Präsident Werner Gegenbauer und Finanzvorstand Ingo Schiller. Der Verlauf der Gespräche, hieß es, sei „ausgesprochen freundlich, vertrauensvoll und konstruktiv“ gewesen. Das war in den vergangenen neun Monaten nicht immer so gewesen. Zwischenzeitlich hatte der Bundesligist, bis 2025 der wichtigste Mieter des Olympiastadions, damit gedroht, Berlin in Richtung Brandenburg zu verlassen. Dem aber hatte ein eindeutiges Votum der Mitglieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Liegt es am oft halbleeren Olympiastadion, in dem keine Stimmung aufkommt? Oder am neuen Marketing des Vereins? Oder ist die Bundesliga mit den dominierenden Bayern und vielen 0:0 Spielen einfach langweilig geworden? Viele Bundesligavereine verlieren derzeit Zuschauerinnen und Zuschauer, doch nirgendwo ist der Rückgang so groß wie bei Hertha. Vor dem Spiel gegen Leipzig am Samstag haben im Schnitt 44.370 das Olympiastadion besucht. In der vergangenen Saison waren es 50.267. Mit einer Auslastung von weniger als 60 Prozent ist Hertha Bundesligaschlusslicht. (wera)
Wenn am Montag die Mitglieder von Hertha erneut zusammenkommen, dürfte die Stimmung deutlich besser sein. Denn die Erklärung, die Verein und Senat nach dem Treffen vom Dienstag vorlegten, besagt, dass sowohl ein Umbau des Olympiastadions als auch ein Stadionneubau auf dem Olympiagelände möglich seien. Der kleine, aber feine Unterschied: Ein Stadionumbau müsste mit Steuermitteln finanziert werden. Der Neubau dagegen würde die öffentliche Hand keinen Cent kosten. Das gesamte finanzielle Risiko läge bei Hertha.
Die Pläne für den Umbau des Olympiastadions stammen vom Architekturbüro gmp. Möglich wäre eine Absenkung des Spielfelds und eine Absenkung des Unterrings. Die von den Fans ungeliebte Leichtathletikbahn würde entfallen, könnte aber für Großereignisse temporär installiert werden. Gmp war vom Senat aufgefordert worden zu prüfen, ob ein Umbau, der sowohl den Anforderungen von Hertha nach mehr Nähe der Zuschauer zum Spielfeld als auch die Weiternutzung als Leichtathletikarena in dem denkmalgeschützten Stadion möglich wären.
Auch Hertha hat seine Hausaufgaben gemacht. Bei den Plänen für einen Stadionneubau wurde die Kritik von Denkmalschützern aufgenommen und der Baukörper aus der Sichtachse des Hockeystadions genommen. Das Stadion steht nun unmittelbar am U-Bahnhof. „Es liegen jetzt detaillierte und deutlich überarbeite Entwürfe vor“, so Sportsenator Geisel. „Die Varianten müssen nun finanziell und sportpolitisch betrachtet und öffentlich diskutiert werden.“
Allerdings hat der Senat eine mögliche Genehmigung des Neubaus an zwei Bedingungen geknüpft, so Geisel: „Aus Sicht des Landes Berlin muss die Wirtschaftlichkeit des Olympiastadions auch in Zukunft gewährleistet sein. Deshalb wäre auch ein möglicher Neubau nur mit einer Konkurrenzausschlussklausel für das Olympiastadion denkbar.“ Das heißt im Klartext. Hertha beziehungsweise der Investor müssen sich verpflichten, im neuen Stadion keine Großveranstaltungen durchzuführen. Helene Fischer soll weiterhin nur das Olympiastadion rocken dürfen.
Darüber hinaus will Geisel, das Debakel am BER fest vor Augen, Hertha vertraglich verpflichten, ein neues Stadion auch fertig zu bauen. „Fertigstellungsgarantie“ heißt hier das Zauberwort, auf das sich Hertha einlassen müsste, sollte das Abgeordnetenhaus sich für die Neubauvariante entscheiden.
Sportsenator Andreas Geisel (SPD)
Auch hier steht schon ein erster Termin an. Kommenden Freitag will Geisel beide Varianten im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses vorstellen. Außer der FDP, die sowohl einen Neubau als auch einen Umbau des Olympiastadions ablehnt, halten sich alle Parteien bislang sehr bedeckt. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek betonte, dass ein Neubau nur funktioniere, „wenn es ein finanziell tragfähiges Nachnutzungskonzept für das Olympiastadion gibt“. Entscheidend sei, was die Entscheidung für den Landeshaushalt bedeute. „Wir haben kein Interesse, dass das zu Lasten der schwarzen Null geht.“
Was die schwarze Null angeht, muss die Politik nun abwägen. Wenn Hertha den Vertrag für das Olympiastadion kündigt, entfallen der landeseigenen Olympiastadion GmbH Mieteinnahmen von mehr als fünf Millionen Euro im Jahr. Dies kann aber eventuell durch die Buchung von Großkonzerten ausgeglichen werden. Ein Umbau des Stadions aus Steuermitteln käme das Land erheblich teurer.
Das genau ist der Grund, weshalb sich Hertha freuen darf. Zwar gab es noch keine Vorentscheidung. Wenn sich Senat und Parlament aber nicht in Schulden stürzen wollen, kommt nur ein Neubau in Frage. Vorausgesetzt, Hertha findet einen Investor für die geplante Summe von 200 Millionen Euro.
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