piwik no script img

Neues Sicherheitsgesetz in FrankreichDemo fürs Polizistenbild

Künftig sollen Franzosen Polizisten im Einsatz nicht mehr filmen dürfen. Journalistinnen und Journalisten sehen dadurch ihre Arbeit in Gefahr.

Demokratisches Rollen Foto: Christophe Ena/ap

Paris taz | Tausende Menschen haben am Wochenende in Frankreich gegen den Passus eines neuen Gesetz demonstriert, das Filmaufnahmen von Polizistinnen und Polizisten verbietet. Allein am Samstag gingen in Paris 22.000 Menschen, darunter zahlreiche Journalistinnen und Journalisten, auf die Straße. Die Nationalversammlung hatte den Passus am Freitagabend in erster Lesung verabschiedet. Es stellt das Filmen unter Strafe, wenn die Aufnahmen die körperliche oder seelische Unversehrtheit von Beamten verletzen könnten. Wer solche Bilder veröffentlicht, dem drohen nun ein Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 45.000 Euro.

Der Artikel zielt gegen all jene, die mit ihren Aufnahmen zeigen wollen, wie die Polizei Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten einsetzt. „Wir sind hier, um die Freiheit, zu sprechen und zu verteidigen“, sagte Edwy Plenel von der investigativen Internetplattform Mediapart bei einer Kundgebung in Paris. Sogar in der Regierungspartei La République en Marche (LREM) sowie bei deren Koalitionspartner Modem regte sich Widerstand gegen das Projekt. Die Modem-Abgeordnete Laurence Vichnievsky sah darin eine „unverhältnismäßige Verletzung der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit“. Der Abgeordnete der linken Partei La France Insoumise, Eric Coquerel, hatte noch gewarnt: „Wenn dieses Gesetz durchkommt, erhält die Polizei das Recht, zu verhindern, dass sie vor Ort gefilmt wird.“

Selbst der Appell der Menschenrechtsbeauftragten Claire Hédon hatte vor der Abstimmung in der Nationalversammlung jedoch nichts gebracht: 146 Abgeordnete hatten für den Passus zu „globaler Sicherheit“ gestimmt, 24 dagegen. In letzter Minute hatte die Regierung dabei den Zusatz hinzugefügt, dass die Informa­tions­freiheit durch den Text nicht beeinträchtigt werde.

Die Regierung reagierte auf die Kritik, indem sie LREM-Fraktionschef Christophe Castaner vorschickte. Der schrieb in einem Beitrag für die Zeitung Journal du Dimanche: „Zu einem Zeitpunkt, wo man für eine Zeichnung sterben kann, wollen wir euch, liebe Journalisten, sagen, dass wir weiter eure Freiheit verteidigen, zu schreiben und uns aufs Korn zu nehmen.“

Gewalt gegen Demonstrierende wurde vor zwei Jahren bei den Kundgebungen der „Gelbwesten“ besonders deutlich: Damals verloren mehr als 20 Menschen ein Auge durch Hartgummigeschosse der Polizei. Zahlreiche Fotos und Videos zeigten die Polizeigewalt, die sich auch gegen Unbeteiligte richtete.

Innenminister gießt Öl ins Feuer

Kritik an dem Gesetz kam auch vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Der Chefredakteur der Zeitung Le Monde, Jérôme Fenoglio, schrieb ­außerdem in einem Leitartikel: „Die von Emmanuel Macron berufenen Regierungen und der Präsident selbst haben größte Schwierigkeiten, die Informationsfreiheit zu respektieren.“

Die Äußerungen von Ex-Inneminister Castaner stehen im Gegensatz zu denen seines Nachfolgers Gérald Darmanin. Er hatte Artikel 24 vorangetrieben. Der politische Ziehsohn von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hatte sogar noch gefordert, dass sich Journalistinnen und Journalisten vor der Berichterstattung über Demons­trationen bei den zuständigen Präfekten akkreditieren sollten. Mehr als 40 Medien reagierten darauf und schrieben: „Es braucht keine Akkreditierung, um unseren Beruf frei im öffentlichen Raum auszuüben.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Solche Gesetzesvorstöße passen gut zu autoritären Systemen. Soviel auch zu den „europäischen Werten“, welche die französische Politik und Gesellschaft vor kurzem so sehr bejubelt haben.

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Es ist halt immer eine Frage wie Artikel geschrieben sind und wie sie die Situation erfassen.

    Das Gesetz hingegen ist doch klar. Sollte ein:e Polizist:in gefilmt werden, drohen bis zu einem Jahr Gefängnis und/oder bis zu 45000€ Strafe und muss der:die Polizist:in muss noch nur sagen, dass ihn die Aufnahmen psychologisch belasten.

    Damit wird nicht nur die Presse kriminalisiert.

    Live Berichte sind dann praktisch unmöglich, wenn man nicht riskieren will im Knast zu landen oder unverhältnismässige Strafen zu zahlen.

    Das Gesetz sieht ausserdem vor, dass die Polizei auf öffentliche und "private" kommerzielle CCTV Anlagen zugreifen kann und Proteste mit Dronen überwachen und filmen kann.

    Nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa findet gerade ein Grossangriff auf die Privatsphäre statt.

    Der andere Teil ist der Ausbau von Überwachung im öffentlichen Raum.

    • @07324 (Profil gelöscht):

      Das Filmen wird durch das umstrittene Gesetz nicht verboten. Ich verstehe nicht, warum das von den Medien immer wieder falsch dargestellt wird. Unter Strafe gestellt wird lediglich das Verbreiten und Veröffentlichen des Materials unter bestimmten Bedingungen. Übergriffige Polizisten dürfen auch weiterhin gefilmt werden und wenn sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Straftaten verüben, wird das Filmmaterial auch weiterhin als Beweismaterial gelten.

      Es geht vielmehr darum, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre von Polizisten zu schützen. Sie sollen nicht einer Selbstjustiz und Hassaufrufen in den sozialen Medien ausgeliefert sein, sondern bei Fehlverhalten von der ordentlichen Justiz verfolgt werden, wie sich das für einen Rechtsstaat gehört.

  • Überall diese Nationalfahnen. Das scheint schon selbstverständlich zu sein. 1968 wurde die Tricolore als "Der Lappen" bezeichnet.



    Die Gelbwesten haben auch von Pegida gelernt "Nous sommes le peuple."

  • Eine Frechheit sondergleichen, dieser Artikel 24.



    youtu.be/3LKiETDC6oU



    Sowas würde dann noch leichter unter den Teppich gekehrt werden können.



    Ich rede ja gar nicht davon, dass auch in Frankreich ein George Floyd unter die Räder, bzw. die Knie oder Fäuste von Polizisten kommen könnte