piwik no script img

Neues Reformpaket für GriechenlandBauern vorerst verschont

Premier Tsipras will das geplante Reformpaket aufschnüren – und Landwirte nicht mehr belasten. Denn die Opposition rebelliert.

Landwirte würden von einer Verschiebung der Reform profitieren. Foto: reuters

ATHEN taz | „Ein schicksalhafter Mittwoch für die Regierung und für Syriza“, titelt das linke Parteiblatt Avgi und übertreibt damit nicht im Geringsten: Am Mittwoch wird dem Parlament ein weiteres Reformpaket zur Abstimmung vorgelegt. Dem Vernehmen nach sollten die Volksvertreter laut ursprünglicher Planung über mehrere Sparauflagen votieren, wobei jede für sich genommen ausreichen würde, die Regierung zu stürzen: Renten- und Justizreform, Abschaffung von Steuerprivilegien für Landwirte, Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bankensanierung.

Schon beim ersten Reformpaket am vergangenen Mittwoch weigerten sich 39 von insgesamt 149 Syriza-Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament, dem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras Gefolgschaft zu leisten. Die Sparauflagen konnte er nur mit Hilfe der mitregierenden Rechtspopulisten und sämtlicher Oppositionsparteien durchboxen.

An diesem Mittwoch wird ihm ein ähnliches Meisterstück kaum gelingen: Zum einen gilt als wahrscheinlich, dass mehr als 39 Syriza-Abgeordnete gegen Tsipras stimmen. Zum anderen ist die Unterstützung der Opposition nicht mehr sicher. Schließlich gehören Landwirte zu den Stammwählern der Konservativen.

Umstritten ist vor allem die Steuerpolitik für die Landwirte. Zwar hat sich der einstige Bauernstaat Griechenland zum Dienstleistungsstaat gewandelt und die Landwirtschaft steuert nach der offiziellen Statistik weniger als 5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Doch selbst diese Zahl ist fast doppelt so hoch im Vergleich zum EU-Durchschnitt.

Rebellion bei den Konservativen

Und außerdem: Viele Griechen betreiben Landwirtschaft im Nebenberuf und vermutlich am Fiskus vorbei. Sie werden derzeit noch durch einen Steuersatz von 13 Prozent zur Kasse gebeten. Künftig ist allerdings ein Steuersatz in Höhe von 26 Prozent vorgesehen. Dem Vernehmen nach rebellieren mindestens 20 Abgeordnete der konservativen Opposition dagegen.

Nicht zuletzt deshalb will Tsipras die Besteuerung der Landwirte ausklammern. Insider rechnen damit, dass der Gesetzesentwurf dann der sogenannten Sommersession des Parlaments vorgelegt wird. Es handelt sich um einen kleineren Kreis von Abgeordneten, die nur im Hochsommer tagen und von der jeweiligen Parteiführung nach Gutdünken bestimmt werden. Damit hätte Syriza die Chance, Abweichler in die Entscheidungen nicht mehr einzubeziehen.

Eine „heiße Kartoffel“ bleibt am Mittwoch allerdings nicht erspart: die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Abwicklung von angeschlagenen Kreditinstituten. Damit würden erstmals Bail-in-Instrumente für die Rettung maroder Banken ins griechische Recht aufgenommen. Dennoch appellierte die Vorsitzende der griechischen Bankenvereinigung Louka Katseli an die Sparer, ihr Geld zurück aufs Bankkonto zu bringen. Auf die Frage hin, ob ein Abschlag auf Bankeinlagen komme, antwortete Katseli zweideutig: „Kommt nicht in Frage, wenn wir uns alle vernünftig verhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • @Chutriella

     

    Schon wieder das anti-demokratische Griechen-Bashing.

     

    Sie sollten in ihrer Argumentation lieber Südeuropa vs. Nordeuropa vergleichen , falls sie was gegen die EU Agrarpolitik haben sollten, und nicht das von Griechen-Bashern Deutschland vs. Griechenland abermals wiederholte Szenario hier reproduzieren.

     

    Warum sollte man die griechischen von den anderen Landwirten Südeuropas trennen, wenn nicht um Propaganda gegen Griechenland zu

    verbreiten.

     

    Die griechischen Landwirten sind nicht das schwarze Schaff der Landwirte Südeuropas und haben die selben Rechte mit all den anderen Südeuropäer...

     

    Man sollte in Deutschland endlich die Kirche im Dorf lassen und nicht tagtäglich die Griechen als Sau durchs Dorf treiben um Unsicherheit beim Euro zu erzeugen...

  • Die EU-Regelung zu Banken dürfte in Griechenland besonders bittere Auswirkungen haben. Haus- und Wohnungseigentümer werden zunehmend von den Banken enteignet, weil sie ihre Kreditraten nicht zahlen können. Für viele Griechen ist der Haus- und Grundbesitz ein wichtiges Mittel zur materiellen Absicherung. Die Regierung muss die EU-Forderung durchsetzen. In Spanien hat diese Politik zur Obdachlosigkeit der Mittelschicht geführt - und zum Aufstieg von Podemos. In Griechenland muss jetzt Tsipras genau diese Politik durchsetzen. Die von Berlin und Brüssel Strategie, den Sturz der Zyriza-Regierung zu erreichen, rückt damit näher.

    • @Philippe Ressing:

      Wieso ist die EU schlecht zu griechischen Landwirten und GR an sich? Allein Agrar-Direktzahlungen gibt es aus Brüssel jährlich rund 2,2 Milliarden Euro, insgesamt über 3 Milliarden Euro Agrarförderung pro Jahr - für ein Land mit ca. 11 Mio Einwohnern. Zum Vergleich: Deutschland erhält jährlich rund 5 Milliarden Euro Agrarförderung bei ca. 81 Millionen Einwohnern. (Die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der Arbeitskräfte im Landwirtschaftssektor ist nicht das oberste Ziel der Agrarförderung, sondern Produktionssteigerung, stabile Märkte, angemessene Marktpreise; daher wäre ein Vergleich der Aufwendung pro Landwirt/Betrieb wenig aussagekräftig).

      http://ec.europa.eu/agriculture/statistics/factsheets/index_en.htm