Neues Postgesetz: Schlecht für Briefeschreiber
Die Briefzustellung darf künftig langsamer sein. Die Argumente der Deutschen Post muten abenteuerlich an – profitieren dürften allein die Shareholder.
B ereits heute kommt bei vielen die Post keineswegs jeden Tag. Etliche werden glauben, dass sich mit dem neuen Postgesetz nichts ändert – und die Bundesregierung mit der Novellierung sowieso nur den Status quo offiziell macht. Doch so einfach ist das leider nicht.
Die Ampel lockert die Vorgaben für die Post ganz erheblich. Das Unternehmen muss nicht mehr sicherstellen, dass das Gros der Briefe am nächsten Tag zugestellt wird. Der DHL-Konzern, zu dem die Deutsche Post gehört, kann auf diese Weise viel Geld sparen. Dürfen Briefe später und langsamer transportiert werden, werden die Manager:innen die Arbeitsprozesse ändern, Kosten senken und weniger Beschäftigte vorhalten. Davon profitieren die Aktionär:innen des Unternehmens, das Gewinne in Milliardenhöhe macht. Der Staat, vor der Privatisierung alleiniger Eigentümer, hat gerade ein großes DHL-Aktienpaket verkauft und wird davon wenig abbekommen.
Für die Bürger:innen sind die neuen Regeln schlecht. Wer einen Aufschlag zahlt, kann sich das heute noch geltende Tempo erkaufen – hier ist die Reform einfach eine versteckte Preiserhöhung. Doch Unternehmen und Institutionen werden diesen Aufschlag kaum zahlen. Verträge, juristische Schriftstücke oder wichtige Onlinezugangsdaten werden nach wie vor per Briefpost verschickt. Es macht durchaus einen Unterschied, ob Wichtiges früher oder später kommt. Diese Erfahrung macht etwa, wer nach dem Verlust der Bankkarte erst viele Tage auf eine neue und dann noch mal auf die PIN-Nummer wartet.
Die Reform wird verkauft mit dem Argument, die Regeln würden an das digitale Zeitalter angepasst. Das ist fast lustig angesichts eines Staats, der Bürger:innen kaum etwas online erledigen lässt. Mitarbeiter:innen von Paketdiensten stellen unter enormen Zeitdruck zu, schleppen sehr schwere Lieferungen und werden dafür nicht angemessen bezahlt. Viele heuern nicht bei der Deutschen Post an, sondern bei einem der unzähligen Subunternehmen oder Subsubunternehmen – bei denen die Bedingungen noch schlechter sind. Denn bei den Subfirmen muss ja auch was hängen bleiben. Die Bundesregierung hat diesem Treiben kein Ende bereitet – das muss sie nachholen.
Und noch etwas: Die Änderungen beschleunigen das Ende der gedruckten Tageszeitungen. Die Post muss künftig nicht mehr jeden Tag zustellen. Tageszeitungen müssen aber zunehmend mit der Post zugestellt werden, denn gerade auf dem Land gibt es immer weniger Austrägerdienste. Kommt die Tageszeitung regelmäßig Tage später, verliert sie ihren Sinn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin