Neues Naturschutzkonzept für Landwirte: Lerchenfenster und Kiebitz-Inseln
Landwirtschaft und Naturschutz sollen kein Widerspruch mehr sein. Ein Forschungsprojekt sucht nach Lösungen für einen alten Konflikt.
Berlin taz | Franz soll Bauern und Naturschützer versöhnen und die Ökologie auf dem Acker neu erfinden. Franz, genauer F.R.A.N.Z., „Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft“, ist ein groß angelegtes Forschungsprojekt, das die Michael Otto Stiftung für Umweltschutz und der Deutsche Bauernverband gemeinsam betreuen. Gestartet haben das Vorhaben am Montag Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und ihr CSU-Kollege aus dem Agrarressort, Christian Schmidt, in Berlin.
Auf bundesweit zehn Höfen ganz unterschiedlicher Größe sollen verschiedene Projekte zeigen, welche Maßnahmen sich für den Artenschutz lohnen und schließlich auch finanziell belohnt werden sollen – und welche nicht. Die teilnehmenden Landwirte werden beraten und gefördert. In den ersten drei Jahren stehen insgesamt 3,7 Millionen Euro zur Verfügung.
Auf den intensiv genutzten Feldern, Wiesen und Weiden soll in den nächsten zehn Jahren eine rücksichtsvollere Landwirtschaft entwickelt werden, die auch ökonomisch erfolgreich sein kann. „Der Handlungsbedarf ist da am größten, wo die Landwirtschaft am intensivsten ist“, erklärte Hendricks in Berlin. Darum sei es „gut“, wenn Naturschützer und Landwirte gemeinsam nach Lösungen suchten.
Derzeit machen Biologen einen dramatischen Artenschwund auf dem Land aus. So gelten drei von vier Vögeln, die eigentlich hierzulande heimisch sind, als gefährdet. Darunter ist beispielsweise die Feldlerche.
Darum werden die Testbauern sogenannte Lerchenfenster anlegen. Das ist eine Art Bett im Kornfeld – für die Vögel. Das sieht zunächst so aus, als habe der Bauer geschlampt: Auf den Getreidefeldern bleiben etwa 20 Quadratmeter große Rechtecke kahl. Die Lerchen, die ihre Nester vorzugsweise in Äckern verstecken, fliegen auf sie. Sie suchen von den freien Flächen aus ihr Plätzchen zum Brüten und füttern von dort später ihre Jungen. In üppig bewachsenen Feldern findet die Lerche, die längst auf der Roten Liste der Brutvögel in Deutschland als gefährdet eingestuft wird, diese geeigneten Landebahnen zu selten.
Den Artenschwund aufhalten
Lerchenfenster, Kiebitz-Inseln, Blühstreifen – das hört sich alles kleinteilig an, kann den Artenschwund aber aufhalten. Das hat die Hope Farm in Südostengland gezeigt. Seit dem Jahr 2000 bewirtschaftet die Royal Society for the protection of birds – ein Umweltverband vergleichbar dem Naturschutzbund in Deutschland – den gut 180 Hektar großen konventionellen Betrieb. Seither vermehren sich dort die Feldlerchen wieder. Zugleich zählt der Hof zu den 10 Prozent der profitabelsten Agrarbetriebe in der Region.
Lerchenfenster und Blühstreifen können den Artenschwund aufhalten
Andernorts sind derweil die meisten Bemühungen zum Naturschutz verpufft. Die von der EU über Steuergeld geförderten Agrarumweltprogramme bringen „keine durchschlagende Wirkung“, analysiert das Bundesumweltministerium. Die Maßnahmen seien nicht „zielgerichtet“. Oft werden sie wohl auch nur halbherzig umgesetzt, zudem nur selten überprüft.
Nach Ansicht von Hendricks’ Experten aus dem Umweltministerium müssen die Landwirte erkennen, dass sie „die Zahlungen aus Steuermitteln nur noch rechtfertigen können, wenn damit gesellschaftliche Ansprüche erfüllt werden“.
Die Bauern in Deutschland erhalten derzeit rund 6,3 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen im Jahr. Das Subventionssystem soll allerdings im Jahr 2020 reformiert werden. Das scheint noch lange hin, doch wird schon jetzt ausgelotet, wie das Geld künftig verteilt werden soll.
Leser*innenkommentare
tazler
"Lerchenfenster, Kiebitz-Inseln, Blühstreifen – das hört sich alles kleinteilig an, kann den Artenschwund aber aufhalten." Hallooooooo. Am meisten würde dem Artenschutz wohl helfen, wenn weniger bis keine Chemie mehr auf dem Acker landet. Wo kein Insekt mehr leben kann, haben die Vögel und andere Tierarten keine Lebensgrundlage. Im übrigen gilt dies auch für den Menchen. Flüsse, Seen und Grundwasser sind ja wohl schon genug belastet. Also mal die vielen Forschungsgelder zur Verringerung des Chemieeinsatzes verwenden. Aber mit BASF und Co. kann und will sich ja keiner anlegen.
tazler
"Lerchenfenster, Kiebitz-Inseln, Blühstreifen – das hört sich alles kleinteilig an, kann den Artenschwund aber aufhalten. "
OhWeh
Als ob man nicht schon längst wüsste, was gut für die Natur ist. Das haben Hunderte, ja Tausende von Studien nicht nur von Naturschutzverbänden sondern auch z.B. von der TU Weihenstephan und anderen Unis längst gezeigt.
Ein weiteres Forschungsprojekt? Wozu? Um nochmal Jahrzehnte verstreichen zu lassen, weil man auf die Forschungsergebnisse wartet!
Das gefällt dem Bauernverband und dem Landwirtschaftsminister. Da kann man getrost noch mal 20 Jahre die letzten Hecken wegrationalisieren und noch mehr Mais anbauen. Man wartet ja auf Erkenntnisse. Verzögern! Immer weiter verzögern! Die Strategie ist gut für den Profit der großen Landwirtschaftbetriebe.
Die Insekten, Amphibien und Vögel stehen großteils jetzt schon auf der roten Liste. Bei Pflanzen schaut es genauso bitter aus. Interessiert aber nicht, Hauptsache die Lobby hat sich wieder mal durchgesetzt. Greenwashing.
Werner W.
Blühstreifen sind jetzt schon für die meisten Landwirte Pflicht und werden auch genau kontrolliert.