Neues Gesetz in Irland: Internet-Entzug für Filesharer
Das Tauschen von Filmen und Musik im Netz wird in Irland zukünftig mit bis zu einem Jahr Internet-Sperre bestraft. Bei der Umsetzung des Verfahrens hapert es allerdings noch.
In mehreren europäischen Ländern versucht die Medienindustrie gerade, neue, radikalere Maßnahmen gegen das gesetzeswidrige Tauschen von Filmen und Musik im Netz durchzusetzen. Die umstrittene Regelung hört auf den Namen "Three Strikes". Wird ein Nutzer einmal zu häufig bei diesen Taten erwischt, soll er künftig mit Internet-Entzug bestraft werden.
Während in Frankreich ein entsprechendes Gesetzespaket, das anfangs nach scharfen Protesten durch das Parlament gefallen war, noch immer nicht umgesetzt ist, wird nun wohl Irland den Anfang machen. Möglich macht das ein Rechtsstreit zwischen dem Verband der irischen Musikindustrie (Irma) und dem größten Provider des Landes, Eircom. Die Irma hatte Eircom vorgeworfen, nicht genug gegen die Netzpiraterie der eigenen Kundschaft zu unternehmen. Der oberste Gerichtshof des Landes urteilte daraufhin im Sinne der Musikfirmen, Eircom musste sich dem "Three Strikes"-Regime beugen.
Die Idee ist inzwischen auch in der Politik umstritten – so spricht sich etwa die in Deutschland mitregierende FDP strikt gegen solche Netzsperren aus. Bei der Musikindustrie glaubt man indes nicht an mildere Strafen oder den ebenfalls möglichen, regulären Klageweg. "Das europäische Parlament hat darüber debattiert, ob der Internet-Zugriff ein Grundrecht ist", so Irma-Boss Dick Doyle laut der britischen BBC. "Das ist es absolut nicht. Der Schutz geistigen Eigentums ist ein Recht."
Internet-Bürgerrechtler hatten beim Streit um die Netzsperren stets betont, dass das Netz inzwischen weit mehr ist als ein Unterhaltungsmedium. Viele Berufe kämen ohne dessen Nutzung gar nicht mehr aus, hieß es etwa von der in Frankreich gegen Netzsperren kämpfenden Initiative "La Quadrature du Net". "Entsprechend überzogen sind diese Forderungen", so Sprecher Jeremie Zimmermann.
Potenziell problematisch an dem Verfahren kann auch die Umsetzung sein. In Irland ist nun geplant, dass die zur Identifikation der Delinquenten notwendigen Daten nicht etwa von der Polizei ermittelt werden und damit behördlich beweissicher sind, sondern von den Medienkonzernen selbst stammen, die das Netz eigenständig nach Piraten absuchen.
Die Zuverlässigkeit der bei solchen Surfpatrouillen oft eingesetzten Überwachungsprogrammen war von Anwälten Betroffener in anderen Ländern sowie Netzaktivisten jedoch schon mehrfach als unzureichend kritisiert worden. Ergo: Es kann schon mal zu Fehltreffern kommen und damit völlig Unschuldige treffen – Internet-Kollateralschäden, sozusagen.
"Tausende von IP-Adressen" seien vom Verband der irischen Musikindustrie bereits an Eircom gegangen, meldet die BBC. Mindestens 50 davon pro Woche sollen nun mit den in der Kundendatenbank des Providers befindlichen Postanschriften abgeglichen werden. Dann erhalten Betroffene zunächst einen "kostenlosen" Warnbrief; außerdem sollen Eircom-Mitarbeiter versuchen, telefonisch Kontakt aufzunehmen. Wird die entsprechende IP-Adresse nochmals von den Medienkonzernen erwischt, startet das abgestufte Verfahren: Beim dritten Mal wird der Internet-Zugang eine Woche gesperrt, beim vierten dann tatsächlich für ein volles Jahr.
Bei den 12 Monaten unfreiwilligem Offliner-Dasein muss es indes nicht bleiben. Eircom will sein Verfahren nach einem Quartal Laufzeit zusammen mit der Irma überprüfen und dann eventuell sogar noch schärfere Maßnahmen durchsetzen, inklusive Anschlussverbot auf Lebenszeit, wie es hieß. Bei Eircom spricht man davon, mit dem Vorgehen vor allem auf ein "stark erzieherisches Element" zu setzen, so ein Firmensprecher.
Manche Kunden wüssten ja beispielsweise gar nicht, dass ihre Kinder sich als Netzpiraten betätigten oder man Einsprecher im ungesicherten WLAN-Netz habe. Für Nutzer, die ganz bewusst urheberrechtlich geschützte Dateien tauschen, sollen die freundlichen Provider-Mitarbeiter "legale Alternativen vorschlagen". Sehr praktisch dabei: Eircom selbst will noch in diesem Jahr einen kostenpflichtigen Musik-Download-Dienst starten. Da ist es offensichtlich hilfreich, sich gut mit der Plattenindustrie zu stellen.
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