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Neues ForschungsergebnisPflanzen reagieren auf das Summen von Bienen mit mehr Nektar

Die Fauna ist aufmerksamer als bisher bekannt. Forschungsergebnisse zeigen, dass Blumen das Summen ihrer Bestäuber zum Überleben nutzen.

Summ' mir das Lied vom Honig Foto: Ola Jennersten/imago

Berlin taz | Ein italienisches Forschungsteam hat herausgefunden, dass Pflanzen bei ihrer Bestäubungs-Symbiose mit Bienen einen aktiveren Part übernehmen als bisher angenommen: Sie können auf das Summen von Bienen mit erhöhter Nektarproduktion reagieren. Ursache ist womöglich eine Überlebensstrategie, um den für die Reproduktion nützlichen Bienen gegenüber bloßen Nektarräubern einen Vorteil zu verschaffen.

„Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass sowohl Insekten als auch Pflanzen vibroakustische Signale wahrnehmen und senden können“, sagte die Zoologin und Forschungsleiterin Francesca Barbero von der Universität Turin zum Guardian. Dass Pflanzen Umwelteinflüsse wie Insektenbewegungen, Temperatur oder Wind registrieren können, war im Zusammenhang mit pflanzlicher Wahrnehmung bisher nicht bekannt.

In einem Versuch spielten Forscher Glockenblumen und Löwenmäulchen das aufgenommene Summen von Schneckenhausbienen vor. Im Vergleich mit dem Surren von Wespen oder sonstigen Umgebungsgeräuschen steigerten die Blüten daraufhin nicht nur die Nektarmenge deutlich: auch der Zuckergehalt stieg.

Die For­sche­r:in­nen vermuten, dass dieses Verhalten eine evolutionäre Anpassung darstellt, um gezielt bestimmte Bestäuberarten anzulocken. Sollte sich das bewahrheiten, könnte das passende summende Geräusch also auch landwirtschaftlich eingesetzt werden, um Nektarproduktion und Pflanzenbestäubung zu erhöhen. Gerade in der vom Na­tur­schüt­ze­r:in­nen deklarierten „Bestäubungskrise“ könnte das den alarmierenden Rückgang blütenbestäubender Insekten möglicherweise kompensieren.

Barbero und ihr Team prüfen derzeit, ob diese Reaktion gezielt auf bestimmte Bestäuber wirkt oder auch Nektarräuber anzieht. Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Nektarzusammensetzungen und dem verschiedener Insektenarten zu testen.

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5 Kommentare

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  • Ich kann's nicht fassen! Da finden Forschende einen weiteren Baustein für die These, dass Pflanzen empfindungsfähige, aktive Mitglieder der Gesellschaft sind, und die Erkenntnis ist: Toll, dann brauchen wir keine Bienen mehr, KI kann genauso gut summen. Sie wollen die Pflanzen neppen? Die brauchen die Bestäuber zum Leben! Auf den Anthropozentrismus ist Verlass. Erst wenn kein Grashalm mehr wächst...

    • @Patricia Winter:

      Sie liegen falsch. Empfindungsfähigkeit ist etwas anderes als ein Perzeptions-Reaktions-Schema. Es ist überraschend, dass Pflanzen akustische Perzeption haben. Allerdings ist hinlänglich bekannt, dass sie Licht "wahrnehmen". Empfindungsfähigkeit im basalen Sinne, also ohne Reflexion und bestimmtes sich dazu verhalten, waren bekannt. Nur eben nicht auf akustische Signale und auch noch so spezifiziert mit einer Reaktion. Das ist phantastisch! Übrigens sind Ihre übrigen Schlüsse komplett falsch; von wegen "Pflanzen neppen". Die Schlussfolgerung sollte sein, man kann die Nektarproduktion durch akustische Trigger steigern. Das ersetzt Insekten nicht, im Gegenteil, es schafft Bedingungen, die für Insekten günstig sind! Darüberhinaus steigert es den Ertrag, wenn es Nutzpflanzen sind. Ausnahmsweise ist dies keine Forschung, der man mit dem Vorwurf des Anthropozentrismus kommen sollte...

  • Ich will ja nicht mäkeln über den schönen Artikel., aber die lauschenden Glockenblumen und Löwenmäulchen zählen zur Flora und nicht zur Fauna.

  • "Sollte sich das bewahrheiten, könnte das passende summende Geräusch also auch landwirtschaftlich eingesetzt werden, um Nektarproduktion und Pflanzenbestäubung zu erhöhen."

    Wie soll die Bestäubung dadurch gefördert werden? Es kommen doch wegen dem künstlichen Gesummse nicht mehr Bestäuber. Wird da nicht Auslöser und Folge vertauscht?

    Was habe ich oder die Autorin evtl. nicht verstanden?

    • @humusaufbau:

      Ihr Einwand mag stimmen, oder aber nicht. Es gibt ggf. einen Mangel an Bestäubern, aber aussicht auf mehr Nektar kann als Magnet auf Bestäuber, die anderswo ihr Werk tun. Eine andere Möglichkeit diesen vermeitlichen Konflikt aufzulösen, ist die Berücksichtigung der Kapaziäten. Zum einen könnten die vorhandenen Bestäuber mehr "Flugkilometer" machen und somit mehr bestäuben, zum anderen könnten sie aufgrund des Mehrangebots mehr auf einmal transportieren. Man sieht es an Hummeln sehr gut. Auf Feldern mit viel Blütenstan sin Hummeln regelrecht bepackt. Stadthummeln tragen eher kleinere Päckchen. Beide Wege (mehr Rundflüge, mehr Gepäck) würden dazu führen, dass mehr Bestäubung stattfindet. Man kann sich das vergägenwertigen, wenn man z.B. Wildbienen beobachtet. Sie fliegen herum, lugen kurz in die Blüte herein und wechseln zur nächsten Blüte, wenn sie nichts vorfinden. Ein Mehr an Nektar würde praktisch viel mehr dieser Flüge von Blüte zu Blüte zu tatsächlichen Befruchtungsflügen machen. Ich hoffe, das klärt etwas. Ansonsten toller Artikel! Chapeau & Danke!