Neues Asylgesetz in Ägypten: Mit harter Hand und EU-Unterstützung gegen Geflüchtete
Ägypten regelt den Status Geflüchteter neu. Menschenrechtler:innen kritisieren den Gesetzentwurf. Sie sagen: Die EU habe das Land dazu ermutigt.
Der von der Regierung eingebrachte Gesetzesentwurf ist der erste seiner Art: Er soll Asylverfahren und Flüchtlingsangelegenheiten in Ägypten regeln, seit 1954 wurde dieser Prozess vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Auftrag der Regierung abgewickelt. Der Entwurf überträgt die Befugnis zur Gewährung des Flüchtlingsstatus und zur Verwaltung von Flüchtlingsangelegenheiten vom UNHCR auf ein Komitee, das dem Premierminister unterstellt ist.
Das Gesetz tritt in Kraft, sobald es von Präsident Abdel Fattah el-Sisi ratifiziert wurde – ein Routineverfahren.
„Dies ist ein äußerst wichtiges Gesetz, das sich direkt auf die nationale Sicherheit auswirkt. Wir haben aufgrund der regionalen Instabilität eine große Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen, was den Staat jährlich 10 Milliarden Dollar kostet. Doch Ägypten profitiert weder davon, noch erhält es angemessene Mittel“, sagte der pensionierte General Ahmed Al-Awadi, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Repräsentantenhaus, in einem Fernsehinterview. Ägyptische Beamte hatten jüngst wiederholt ihre Besorgnis über die Unzulänglichkeit der internationalen Hilfe im Verhältnis zum zunehmenden Zustrom von Flüchtlingen geäußert, insbesondere nach den Konflikten im Sudan und im Gazastreifen.
Wieviele Geflüchtete halten sich in Ägypten auf?
Laut dem UNHCR belief sich die Zahl der registrierten Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ägypten am 19. November 2024 auf 833.000, von denen fast die Hälfte im Jahr 2024 registriert wurden. Tausende weitere warten noch auf ihre Registrierung. Diese Zahl steht in krassem Gegensatz zu den Schätzungen der ägyptischen Regierung. Präsident Abdel Fattah el-Sisi behauptet, das Land beherberge 9 Millionen Flüchtlinge. Die große Diskrepanz bei den Zahlen ist auch auf die weit gefasste Definition Ägyptens von „Flüchtlingen“ zurückzuführen: Denn sie umfasst wohl alle ausländischen Staatsangehörigen, die sich innerhalb seiner Grenzen aufhalten.
Nour Khalil, Refugees Platform
Die UN hat sich bisher nicht zu dem Gesetzesentwurf geäußert. Doch 22 lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie den Entwurf rundheraus ablehnen. „Dieses Gesetz ist katastrophal und viele seiner Bestimmungen verstoßen gegen die Verfassung und internationale Verträge, die Ägypten bisher unterzeichnet hat“, sagte Nour Khalil von der Refugees Platform in Ägypten, der taz.
Die Organisationen kritisieren weiter, dass der Entwurf ohne Rücksprache mit den Beteiligten, einschließlich Flüchtlingen, ihren Vertretern und Menschenrechtsorganisationen, verabschiedet wurde. „Der Gesetzesentwurf erweitert ungerechtfertigt die Befugnisse des Flüchtlingsausschusses der Regierung, den Flüchtlingsstatus aus Gründen, die mit vagen und mehrdeutigen Begriffen wie „nationale Sicherheit“ verbunden sind, zu widerrufen. Diese Ausweitung könnte dazu genutzt werden, die Rechte von Flüchtlingen übermäßig einzuschränken“, heißt es in der Erklärung.
Der Gesetzesentwurf klärt außerdem nicht den rechtlichen Status derjenigen, die derzeit als Flüchtlinge anerkannt sind oder auf Asylentscheidungen warten. „Wenn wir bereits unter dem Schutz des UNHCR stehen und dennoch unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit oder der Verletzung der öffentlichen Ordnung zwangsweise abgeschoben werden, was wird dann erst passieren, wenn die Regierung diesen Prozess kontrolliert und die Abschiebung legal wird?“, sagte Adam Abakar, ein sudanesischer Geflüchteter, der seit 2013 in Ägypten lebt, der taz.
Geflüchteten sollen politische Aktivitäten verboten werden
Der Gesetzesentwurf kriminalisiert und erlaubt außerdem die Ausweisung von Personen, die gegen die „öffentliche Ordnung“ oder „ägyptische gesellschaftliche Werte und Traditionen“ verstoßen. Khalil warnt davor, dass solche Bestimmungen „eine erhebliche Bedrohung für Flüchtlinge und Asylsuchende aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen, Praktiken oder sexuellen Orientierungen darstellen“. Ägypten erkennt offiziell nämlich nur den Islam, das Christentum und das Judentum als Religion an, Homosexualität stellt außerdem weiterhin eine Straftat dar.
Darüber hinaus verbietet das Gesetz Flüchtlingen die Teilnahme an politischen, parteiischen oder gewerkschaftlichen Aktivitäten. Menschenrechtsgruppen sehen darin eine übermäßige Einschränkung der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit und des Rechts auf friedliche Versammlung. „Vieles, was im Zusammenhang mit dem Gesetz vor sich geht, macht mir Angst und bedroht mich. Und der UNHCR hat noch nicht mit uns über unsere Zukunft gesprochen“, sagte Abakar.
Zusammenhang mit EU-Abkommen
„Dieser Gesetzesentwurf kann nicht losgelöst von den laufenden Abkommen und Partnerschaften zwischen Ägypten und der EU und deren Entwicklung seit 2014 betrachtet werden. Die Einführung eines nationalen Asylsystems ist nicht auf einen echten ägyptischen Willen zurückzuführen. Sie ist eine Reaktion auf Druck von außen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Organisationen, die sich gegen das Gesetz aussprechen.
Seit Präsident Al-Sisi 2014 sein Amt antrat, arbeitet Ägypten in Migrationsfragen eng mit der EU zusammen und konnte bisher etwa erfolgreich verhindern, dass Boote mit Migranten von seinen Küsten ablegen.
Im März kündigte die EU aus Sorge um die Stabilität Ägyptens an, die Beziehungen zu Ägypten auf die Ebene einer „strategischen und umfassenden Partnerschaft“ zu heben. Die EU sagte Zuschüsse und Investitionen in Höhe von insgesamt 7,4 Milliarden Euro zu, wobei etwa 200 Millionen Euro speziell für die Migrationskontrolle vorgesehen sind.
Nour Khalil von der Refugees Platform sagt: „Die EU hat die ägyptische Regierung ermutigt, das Asylgesetz zu verabschieden, und Ägypten als sicheres Land für die Rückkehr von Flüchtlingen dargestellt.“ Folglich sei die EU auch für die Verabschiedung des Gesetzes in seiner jetzigen Form verantwortlich, das die grundlegenden Rechte von Flüchtlingen untergrabe.
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