Neues Album von Wanda: Torkeln zwischen Kellerbar und Bühne
Die Wiener Überflieger-Band Wanda legt nach. Nach „Amore“ erscheint nun das neue Album „Bussi“. Ist der Hype berechtigt?
„Leiwand!“ ist österreichischer Dialekt für geil. Und leiwand waren die vergangenen Monate für die Wiener Band Wanda durchaus. Mit ihrem im Oktober 2014 erschienenen Debütalbum „Amore“ sorgten die fünf Musiker auch hierzulande für eine Euphorie-Welle. Ihr charmant-durchgeknallter Saufen-und-Liebe-Pop wurde auf zahlreichen ausverkauften Konzerten exzessiv gefeiert, in Österreich gab es Platin, außerdem durften sie sich über den Musikpreis „Amadeus“ freuen. Jetzt legt die Band nach und veröffentlicht mit „Bussi“ ihr zweites Werk – nicht mehr beim Indie Problembär Records, sondern beim Majorlabel Universal.
Eine Reflexion ihres Erfolges bleibt aus: Die eigene Befindlichkeit abzubilden sei langweilig, erklärt Marco Michael Wanda im Interview. Der Sänger, Komponist und Kopf der Band sinniert: „Meine Texte sind reine Projektionsflächen. Soll jeder damit machen, was er will.“ Bis auf zwei Songs wurde die Musik von „Bussi“ schon vor drei Jahren komponiert, die Songs hätten auch auf dem Debüt landen können.
Während ihrer Tournee ging die Band immer wieder ins Studio, feilte an den alten Stücken und war dabei entspannt: „Niemand sieht sich in der Position, gesteigerte Erwartungen erfüllen zu müssen. Wir haben ein stetig wachsendes und sehr nettes Publikum, für das wir Songs schreiben. Das ist alles.“
Stilistisch hat sich wenig geändert, das neue Album dockt an das Debüt „Amore“ an. Die Jungs in den abgewetzten Lederjacken torkeln wieder zwischen verrauchtem Kellerkokal und großer Bühne hin und her.
Die Songs sind eingängig, die Refrains setzen sich sofort fest. „Wir spielen Kinderlieder im Rock´n´Roll-Gewand“, erklärt Marco Michael Wanda treffend. Ein bisschen mehr Pathos darf´sdiesmal schon sein. In den Texten überlagern sich Größenwahn und Weltschmerz, der Ich-Erzähler ist großmäulig und kleinlaut; mal völlig breit, mal halbwegs klar. Und manchmal alles gleichzeitig. Manche der Texte über die Liebe, das Leben und den Suff schrammen haarscharf am Kitsch vorbei, andere sind einfach nur komisch und auch mal irritierend.
Schweiß & Weißwein
Oder einfach mitreißend, wie der Stampfer „Besser dann als wann“, in dem die Selbstoptimierer-Gesellschaft in einer Art zynischer Lebensberatung verhandelt wird: „Wenn du du selber bist / Bist du so fad, dass niemand mit dir spricht / Es schaut dich niemand an, wenn du dich selbst nicht spielen kannst / Also, lern´slieber dann als wann / Und schau´, dass du wirst, wer du gar nicht bist / Denn zu sagen, dass es schön mit dir war, wird niemand tun / Niemals ist es genug, wenn du nichts Spannendes tust“.
Toll auch der aufwühlend vorgetragene Song „Alarm“, in dem es um einen einsamen Einbrecher geht, der sein Diebesgut in Freundschaften ummünzt: „Er hat den Fernseher verkauft / Und er kauft sich echte Freunde / Und wehe, er gibt keine Schnäpse mehr aus / Dann sind das alles fremde Leute“. Solche Themenfelder behandeln nur wenige deutschsprachige Bands. Der Sänger sagt zum Entstehen seiner Texte: „Ich schreibe, weil ich es muss und weil es mir Spaß macht. Songwriting ist ein uraltes Handwerk. Man muss es nur probieren. Ich sitze dabei gern in der Küche, habe zwei Radler und eine Packung Zigaretten neben mir. Die Texte bahnen sich ihren Weg aus dem Unbewussten hoch.“
Wanda: „Bussi“ (Vertigo/Capitol/Universal)
Ein wichtiger Teil von Wanda bleibt der Konzertwahnsinn: „Wir sehen bei allem, was wir machen, eigentlich nur den Bühnenauf- und Bühnenabgang. Live spielen ist für uns das Allerwichtigste. Unsere Konzerte verstehe ich als Feiern von Toleranz und Freiheit, als Fest der Lebensfreude.“
Wer gesehen hat, wie sich die Wanda bei ihren Auftritten verausgaben, muss sich Sorgen um ihre Gesundheit machen, aber Marco Michael Wanda gibt Entwarnung: „Wir leben jetzt sogar gesünder als früher. Das Essen auf Tour ist nicht schlecht, und wir haben keine Zeit, uns aus Langeweile mit Alkohol und Drogen selbst zu zerstören. Wir schwitzen auf der Bühne auch sehr viel, das ganze Gift kommt wieder raus.“ Dass es ewig so weitergeht mit Wanda, glaubt er nicht.
Am Ende des Gesprächs schenkt er sich noch einen Schluck Weißwein ein, nimmt einen Zug an der Zigarette und sinniert: „Es ist wirklich eine schöne Geschichte im Moment. Aber sie hat ein Ablaufdatum, wie alles. Wir genießen diese Zeit. Es geht schon schnell genug wieder bergab. So wie immer im Leben. Man arbeitet mal ein paar Jahre dies und ein paar Jahre das. Es wird mal daneben gehen und mal nicht. Die wahren Probleme stellt ja ohnehin nicht der Beruf, sondern das Leben an sich. Die Liebe. Der Tod. Das sind die wahren Probleme.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?