piwik no script img

Neues Album von The KillsSchicker Dreck

Kate Moss mag es zum Frühstück: "Midnight Boom", das neue Album des Londoner Duos The Kills. Es klingt faishonable, kaputt und ist unheimlich gut anzuhören.

Der Sänger und die Sängerin: fashionable, kaputt, cool. Bild: the kills

Wie entsteht eine Geschichte? Wie geht Aufblasen? Es gibt Sphären, in denen drei einfache Feierabendbiere schon als Übertretung und Ausschweifung gelten. Schlimmer noch, wenn man in prominenter Begleitung gesehen wird.

Zwei Leute verlassen also in "angetrunkenem Zustand" einen Club in Downtown - scheinen ja eine ausschweifende Beziehung zu führen, die beiden, und irgendeine Abhängigkeit, na mindestens Alkoholismus, ist auch im Spiel. Den Beteiligten selbst bleibt im Prinzip nur die Wahl zwischen Genervtsein oder Ausnutzen: Es soll ja sogenannte Promotionpaare geben, Menschen also, die von ihren Managements als Paar zusammengesteckt worden sind, um jeweils von der Prominenz des anderen zu profitieren und irgendwie im Gespräch zu bleiben. Wie geht Aufblasen? Wie läuft das bei Kate Moss, dem englischen Supermodel, die ja ein Händchen für Randtypen mit Drogenproblemen zu haben scheint. Musiker eben. Und wo lernt sie die kennen? Liest sie den New Musical Express, geht dann auf Konzerte und lässt sich wie einst die Bruni höflich im Backstageraum blicken?

Fragen, die man Jamie Hince besser nicht stellt. Jamie Hince ist Kate Moss neuer Lover, inzwischen auch offiziell, es war sogar von einer Verlobung die Rede. Hauptsächlich ist Jamie Hince aber die englisch verlebte Hälfte des Elektro-Bluesrock-Duos The Kills. Und ein umsichtiger, höflicher, auskunftsfreudiger Mensch. Am ersten Interviewtag auf der Promotiontour zum neuen Album "Midnight Boom" in den schicken neuen Räumen von Domino Records in Berlin-Prenzlauer Berg war er aber schließlich so genervt von den Fragen zu seiner trophy girlfriend, dass er erzürnt und entgeistert den Raum verließ. Also hieß es am zweiten Tag: Bitte keine Fragen zu Kate Moss. Geht klar.

Die andere Hälfte der Kills bildet die schlanke, vergleichsweise junge Amerikanerin Alison Mosshart. Eine zarte, zurückhaltende, aber nicht weniger besondere Frau, die in verwaschenem T-Shirt neben Hince sitzt und dieselben Mentholzigaretten wegraucht. "You cant survive on ice cream / Its alright to be mean", singt sie auf der zweiten Single "Cheap and Cheerful". Ähnlichkeiten zwischen Moss und Mosshart? Durchaus vorhanden. Aber das reservierte Erscheinen bedeutet nicht, dass Mosshart auch auf der Bühne oder der Platte schüchtern sein muss, im Gegenteil. Ihre Schlankheit muss auch nicht zu Anorexie aufgeblasen werden. Und die Ähnlichkeit zwischen Namen und Aussehen ist vermutlich nicht viel mehr als glücklicher Zufall.

Der wesentliche Punkt ist ja auch: The Kills haben ein neues Album gemacht. Nicht irgendeins übrigens, nicht eins, das nur im Fahrwasser irgendwelcher Klatschgeschichten wahrgenommen wird. "Midnight Boom" ist bereits das dritte Album der Kills, debütiert haben sie vor fünf Jahren mit "Keep On Your Mean Side". Schon damals kamen sie mit ihrer Musik rechtzeitig um die Ecke. Rock, Rock-n-Roll, Bluesrock waren wiederauferstanden, wieder angesagt, die rotzige, unangepasste, abgefuckte Geste wieder Leitmotiv und Vorbild, auch wenn diese Geste kein konkretes Ziel mehr hat. Es bleibt eine Geste, eine, die zwischen Schick und Alltag liegt. Zwischen An- und Abtörn.

The Kills haben es unterdessen geschafft, nach dem leicht untergegangenen Zweitwerk "No Wow" Relevanz und Varianz zu beweisen, zwei Parameter, auf die es beim dritten Album einer Band ankommt. Die beiden sind immer noch die schärfste Konkurrenz für die Yeah Yeah Yeahs in Sachen schmutziger Pubrock mit Punk-, Blues- und Elektroanleihen. Auf "Midnight Boom" gelingen ihnen Stücke, die Garbage für immer neidisch machen sollten - man höre sich nur "Black Balloon" oder "Tape Song" an (die beiden Vorabsingles "U. R. A. Fever" und "Cheap and Cheerful" sind nicht mal die besten des Albums).

Die Produktion ist schick, schick dreckig, es ist Musik, bei der man den Schmutz von fremden Autos lecken möchte. Die Texte pendeln zwischen Improvisation ("Alphabet Pony"), Blick nach außen ("What New York Used to Be") und typischen Rock-n-Roll-Behauptungen ("I want you to be crazy, because youre boring, baby, when you are straight", aus "Cheap and Cheerful"). Hince darf öfter singen als zuvor, Mossharts Stimme ist gewohnt cool, die meist mit Drummachines produzierten Beats rascheln tüchtig: Alles klingt zugleich fashionable und kaputt und trotzdem oder eben deswegen unheimlich gut. Es ist fast wie mit Kate Moss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!