Neues Album von Miley Cyrus: Energydrink plus Wodka ergibt Herzflattern
US-Star Miley Cyrus macht mit „Something Beautiful“ eine Gratwanderung zwischen Bombast und filigranen Balladen. Hält ihr Charisma die Musik zusammen?
Eigentlich muss Miley Cyrus niemandem mehr etwas beweisen – weder sich selbst als Superstar noch der mächtigen Konkurrenz. Dank ihrer Rolle in der TV-Serie „Hannah Montana“ wurde sie schon als Teenagerin berühmt und zerbrach, anders als Britney Spears, nicht am frühen Ruhm.
Als Popkünstlerin katapultierte sie sich 2013 mit ihrem Erfolgsalbum „Bangerz“ weltweit in die Top Ten, in den USA und Großbritannien sogar an die Spitze der Charts. Bleibt die Frage: Warum bloß treibt die Patentochter von Dolly Parton bis heute das Gefühl um, sich künstlerisch freischwimmen zu müssen? Mal will sie edgy sein, mal emotional, immer crisp. Auf jeden Fall selbstbestimmt – und das im Radar vom Shoppingkanal der Mainstream-USA.
Also hakt die 32-Jährige ihren größten Hit „Flowers“, ausgezeichnet mit zwei Grammys, von ihrem letzten Langspieler „Endless Summer Vacation“ (2023) für sich ab, um mit ihrem neuen, inzwischen neunten Album „Something Beautiful“ abermals einen neuen Kurs einzuschlagen.
Bombast wie Pink Floyds „The Wall“
Vorab tat die US-Sängerin kund, sie habe sich dazu von Pink Floyds Albumklassiker „The Wall“ (1979) inspirieren lassen. Das schürte die Furcht vor einem Bombastrock-Konzeptdings, was sich beim Hören allerdings ziemlich bald als Trugschluss erweist. Denn der Titelsong schippert erst mal wie betäubt im Fahrwasser von nostalgischem Soul, veredelt von einem hingetupften Bläsersatz und einem jaulenden Gitarreninferno.
Miley Cyrus: „Something Beautiful“ (Columbia/Sony)
Was lieblich beginnt, driftet alsbald ins Sperrige ab. Da ist schon Bombast, aber er klingt nicht nur, als wäre die Majorlabelkünstlerin Cyrus zum Indiepop übergelaufen, sie hat für die Aufnahmen tatsächlich ganze Kohorten von Indierocker:Innen verpflichtet.
Sofort serviert Cyrus die Gegenthese. Der Song „End of the World“ ist bekömmlichere Mainstream-Kost. Mit einem Satz „Let’s pretend it’s not the end of the world“ lächelt Miley Cyrus alle Kritik weg. Auch musikalisch huldigt dieses Stück der Leichtigkeit – mit schwülstigen Klavierpassagen in reinster Abba-Manier und Over-the-top-80er-Jahre-Pop-Übermut.
Autotune geht immer
Der Powerballade „More to Lose“ steht Miley Cyrus’ leicht angeraute Stimme gut, doch wäre ein echtes Klavier schöner gewesen als die Retro-Synthies, die zum Einsatz kommen. Auch die Interludien hätte sie sich sparen können. Die zweite Hälfte der Songs marschiert dann schnurstracks Richtung Dancefloor, in diesem Teil des Albums erweisen sich die Autotune-Einflüsse von Chers Hitalbum „Believe“ als inflationär bewährtes Erfolgsrezept.
Im Intro von „Golden Burning Sun“ heulen Beats auf wie PS-starke Rennwagen, bevor sich Cyrus auf die catchy Grooves einschwört. Voller Herzenswärme sehnt sich das Text-Ich nach einem Normie-Alltag, dafür wird ein Mann benötigt, mit dem sie es ernst meint. „I had a dream and saw a vision“, singt sie. „We built a house that we could live in.“ Wie Schöner Wohnen ist das denn?
In den Club lädt „Walk of Fame“ mit einem Sound ein, der sich irgendwo zwischen den späten 80ern und den frühen 90ern einpendelt. Dieser Track bringt die Herzen fast so sehr zum Flattern wie ein koffeinhaltiger Energydrink, wobei die zackige Ansage von Brittany Howard von den Alabama Shakes gen Ende der Wodka ist und sehr gelungen.
Empfohlener externer Inhalt
Miley Cyrus „More to Lose“

Eine weitere Gästin ist das Supermodel Naomi Campbell. Wenn sie in „Every Girl You’ve Ever Loved“ immer wieder „Pose! Pose! Pose!“ deklamiert, ist klar, welches Lied hier Pate gestanden hat: Madonnas „Vogue“. Stellenweise lehnt sich diese Nummer auch an Cyrus’ alte Konkurrentin Lady Gaga an.
Mit dem Dancefloor-Kracher „Reborn“ philosophiert Cyrus dann über Liebe und Wiedergeburt: „If heaven exists, I’ve been there before / Kill my ego, let’s be reborn.“ Nicht nur mit diesem Lied fegt die Sängerin Zweifel und Ängste einfach weg. Sie weiß, wie sie ihre Fans auf die Tanzfläche holt – darin ist sie wirklich gut. „Something Beautiful“ ist insgesamt eher „Something Solid“, ein solider Gemischtwarenladen, mehr aber auch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!