piwik no script img

Neues Album von LoopDas psychedelische Auge ist zurück

Die Londoner Wall-of-Sound-Erotomanen Loop sind wieder da. Sie veröffentlichen nach 32 Jahren ein neues Album: „Sonancy“.

Auch nach 32 Jahren gerne unter lavalampenartigen Licht: Loop aus London Foto: Simon Holliday

In der Wikipedia-Kategorie „List of longest gaps between studio albums“ nimmt das Album „Sonancy“ von Loop immerhin einen Platz im oberen Mittelfeld ein. Zwar fehlen zu Champions wie Abba (fast 40 Jahre) und den Sonics (48 Jahre) noch ein paar Monde, mehr noch zum Spitzenreiter Dean Gitter, der sich zwischendrin satte 57 Jahre Zeit ließ. Aber mit 32 Jahren Schaffenspause zwischen zwei Alben ist die britische Band zumindest nahe dran an den Stooges (34 Jahre).

Und Letzteres dürfte Robert Hampson, dem Mastermind von Loop besonders gefallen. Sage und schreibe 32 Jahre benötigte der Gitarrist und Sänger der Londoner Band, um nach dem dritten Album „A Guilded Eternity“ (1990) mit „Sonancy“ vor Kurzem das vierte Loop-Album beim Indielabel Cooking Vinyl zu veröffentlichen.

1986 in Croydon, im Süden Londons, gegründet (damals noch mit Hampsons Freundin Becky Stewart am Schlagzeug), fiel die Band mit einem an die Stooges, Velvet Underground, Suicide oder die frühen Jesus and Mary Chain angelehnten Sound auf, der irgendwo zwischen psychedelischen Proto-Shoegaze und Spacerock oszillierte. Stets in Schwarz gekleidet, mit über das Kinn fallenden Haaren, die auch bei Interviews nicht beiseitegeschoben wurden, fanden Loop über drei Alben hinweg bis 1990 sogar an die Spitze der UK-Indie-Charts. Die seinerzeit von der Musikpresse konstruierte Konkurrenz zur Band Spacemen 3 soll auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

In der 2013 erschienenen Erstauflage von Sam Knees dokumentarischem Buch „A Scene In Between. Tripping Through the Fashion of UK Indie Music 1980–1988“ war Hampson auf dem Coverfoto zu sehen, in der zweiten Auflage dann fast die gesamte Band. Diese begann mit auf gerade drei Gitarrenriffs basierenden, zweieinhalbminütigen Fuzz-, Feedback-, und Wah-Wah-Singles als Vorgruppe der Pastels, um 1990 bis zu zehnminütige Soundversprechen abzugeben. Erst viel später nannte man das Postrock.

Und weil das aktuelle Loop-Pressefoto nicht mal eine vage Ahnung davon gibt, wie das alles einmal aussah und gemeint war, seien hier die Unterzeilen einer Fotografie von 1986 aus Knees Buch vorgestellt, die dieser so verfasste: „Robert displaying ’80s indie boy chic with distinct ’60s garage leanings. Black Chelsea boots, skinny black jeans and black jumper (often a roll neck) became de rigeur for the UK’s Velvet obsessed youths during the mid/late ’80s“.

Zeitweise aufgelöst, dann wiedervereint

Nach Auflösung von Loop 1991 zerfiel die vierköpfige Band in The Hair and Skin Trading Company und das wesentlich interessantere Projekt Main, das der in der Zwischenzeit nach Frankreich gezogene Hampson zunächst mit dem anderen Loop-Gitarristen Scott Dowson begann, bevor er es als Soloprojekt weiterführte und zuletzt (2013) mit dem deutschen Musiker Stephan Mathieu als Duo wieder aufleben ließ. Für Main ließ Hampson zuerst das Schlagzeug, dann die Gitarren weg; vom Postrock blieb da nur noch das „Post-“ übrig. Seitdem befand er sich in einem klanglandschaftlichen Grenzgebiet zwischen Drone und Musique concrète, das ihm etwa Einladungen vom Pariser Klanglabor Groupe de Recherches Musicales (GRM) und Veröffentlichungen auf Peter Rehbergs Wiener Avantgarde-Elektronik-Label Edition Mego bescherte.

Das Album

Loop: „Sonancy“ (Cooking Vinyl/TheOrchard/Indigo)

Die Band selbst existiert wieder seit 2013. In der Besetzung von 1991 nahm Loop 2015 bereits eine EP auf und tourte wieder. Für „Sonancy“ hat Hampson die Band nun jedoch komplett neu besetzt, die traditionelle Instrumentierung mit Gitarren, Bass und Schlagzeug aber beibehalten.

Auch sonst zeigt „Sonancy“ eher Kontinuität als Aufbruch: Die zehn Stücke auf dem neuen Album nehmen – nicht allzu gewagt – Elemente aller vorherigen Alben auf. Die wie auf welligem Wasser wabernde Logotype der Band sitzt auf dem Cover von „Sonancy“ an der gleichen Stelle wie seit dem 1988er-Album „Fade Out“. Und auch das zum Trademark gewordene psychedelische Auge ist wieder da. Es taucht im Videoclip zum Stück „Halo“ auf, vor dessen Stroboskopeffekten vorab eine durchaus berechtigte Warnung geschaltet wird.

Die Songs auf „Sonancy“ mögen mit Titeln wie „Fermion“, „Aurora“ oder „Supra“ zunächst kosmisch-esoterisch wirken, tatsächlich aber entwickeln die repetitiven Schlagzeugpatterns und verzerrten Gitarrenriffs die gewohnte, schichtweise Tiefe des Loop-Sounds. Auf jegliche Solos wird verzichtet. Dazu liefert Hampsons stoische, manchmal nur eine Terz wagende, von Vergänglichkeit kündende Stimme die gewohnt dystopisch-düstere Stimmung. Sie kam auf alten Titeln wie „Burning World“, „This Is Where You End“ und „Coma“ bereits zum Vorschein – und passt jetzt plötzlich, nach den scheinbar ewig andauernden 80er Jahren gnadenlos wieder in die psychedelische Popgegenwart.

Von so fantasievollen Apokalyptikern wie dem britischen Sci-Fi-Autor J. G. Ballard und dem US-Filmemacher David Lynch zeigte sich Hampson schon seit den ersten Veröffentlichungen beeinflusst. Sein Grafikdesigner-Alter-Ego, das die Loop-Alben gestaltet, heißt denn auch seit jeher Frank Booth, wie der um Sauerstoff ringendene Psychopath aus Lynchs Filmklassiker „Blue Velvet“.

Wer möchte die Musik von Loop nun über drei Jahrzehnte später (noch) hören? Mit Dream­pop sozialisierten jüngeren Hö­re­rIn­nen sei gesagt, dass Loop jenseitiger klingen, als es Dream­pop zulässt. Stilbewusst zitiert man aus dem eigenen Werk – und aus 60er-Psychedelik, 70er-Krautrock, und 90er-Postrock. Leider fehlt es dabei an horizonteinreißenden, so monumental wie dekonstruktivistisch klingenden Stücken wie „Afterglow“ und „Be Here Now“ von 1990. Auch wenn sich ein Song wie „Isochrome“ als Herzstück von „Sonancy“ hierbei alle Mühe gibt.

Obwohl sich die kompositorischen Motive am Ende etwas erschöpfen, wirkt die pulsierende Musik von Loop dennoch nicht wie eine Flaschenpost aus der Vergangenheit. Die rein instrumentalen Stücke „Penumbra I“ und „Penumbra II“ könnten auch zwei neue, logisch weiterentwickelte Tracks von Main sein.

Und das konstante Addieren, Subtrahieren, Filtern, Faden und Mischen von Sound lässt die Stücke auf „Sonancy“ eher als klangliche Zustände denn als abgeschlossene Songs erscheinen, die sich erst noch von „Rock“ emanzipieren müssten. Wenn dies die Quintessenz ist, zu der 1990, wo genau das noch Thema war, für Loop geführt hat, dann stellt die Musik von „Sonancy“ dies nun in später Würde dar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!