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Neues Album von Kanye WestZu Beats beten

Kanye West verhandelt mit „Jesus is King“ geistliche Musik auf weltliche Art. Er bringt den christlichen Pop in den Mainstream.

Mal als Jesus-Jünger, mal als Trump-Supporter unterwegs: Kanye West im Oval Office, August 2019 Foto: ap

Jesus fließt durch uns durch, Jesus bringt uns Wohlstand, Jesus bereinigt die Musik, und so weiter und so fort. Auf dem Song „Water“ seines neuen Albums „Jesus is King“, zählt US-HipHop-Superstar Kanye West auf, was dieser ominöse Jesus alles kann, aber es wird nicht klar, ob der 42-Jährige aus Chicago gerade tatsächliche über die biblische Gestalt spricht oder wieder nur über sich selbst: „Yeezus“.

Immerhin heißen selbst die von ihm designten Schuhe „Air Yeezy“. Diese Ambivalenz zwischen Geschäftssinn, Kanye Wests Christenkomplex und seinem ehrlichen Glauben an einen Gott ist das Interessanteste an seinem ansonsten ziemlich durchschnittlichen neuen Album.

Womöglich ist „Jesus is King“ sogar das erste West-Album, das musikalisch gar kein Spektakel darstellt, sondern nur ein durchschnittliches HipHip-Album eines durchschnittlichen Rappers mit sehr guten Ideen ist. Die sehr guten Ideen haben West und seine Strippenzieher, unter anderem der Produzent Timbaland, sich auf „Jesus is King“ allerdings gespart. Und ein Gospel-Album, wie einige behaupten, ist es auch nicht.

West rappt auf reduzierte Beats mit bedeutungsschwangerer Stimme über seinen Glauben, über seine Familie und natürlich auch über sich selbst. Ein Gospelchor singt ein euphorisierendes Intro und übers Album verteilt werden einige „Ahhhs“ und „Uhhhs“ eingestreut. Nach knapp 25 Minuten ist der Spuk schon wieder vorbei und zurück bleibt die Erkenntnis, dass es Kanye West heute besser zu gehen scheint als im letzten Jahr.

Familie und Beten sind wichtiger als Insta?

Damals stilisierte er sich zum Trump-Unterstützer, ließ sich mit dem US-Präsidenten im Oval Office ablichten, musste dann aber wegen Nervenzusammenbruchs aus der Öffentlichkeit verschwinden und veröffentlichte schließlich innerhalb weniger Wochen fünf Alben, an denen er beteiligt war.

Das Album

Kanye West: „Jesus is King“ (Universal)

Nun ist das Motto: „Hold the selfies, put the ’Gram away / Get your family, y’all hold hands and pray“. Familie und Beten sind wichtiger als Instagram. Woher plötzlich diese Vernunft? Na ja, es ist auch ein „Jesus is King“-Film angekündigt, im IMAX-Format, er läuft natürlich auf Instagram.

Viel interessanter als die thematische Vermarktung des Albums wirkt der Prozess um seine Entstehungsgeschichte. Seit Januar 2019 bespielte West zusammen mit einem Gospelchor sogenannte Sunday-Service-Veranstaltungen, ein Hybrid aus Gottesdienst und Konzert.

Dort wird im Vergleich zum Album der reine Gospel gepredigt. „Jesus is King“ ist das Resultat jener Sunday Services und es zeigt vor allem eines: Kanye West hat sich, wie bisher auf jedem seiner Alben, auch jetzt wieder an einem Subgenre von Pop bedient und es nach seinen Vorstellungen umgestaltet.

In diesem Fall: Christian Pop. Im Gegensatz zu Deutschland ist geistliche Popmusik in den USA kein Nischenmarkt, sondern eine Parallelwelt mit eigenem Mainstream, Tourneen und Festivals. Mit „Jesus is King“ hat West dies nun in den tatsächlichen Pop-Mainstream überführt. Amen.

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2 Kommentare

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  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    warum genau sollten sich taz-leser*innen damit beschäftigen?



    derlei "interessantes" mainstream-nichts gibt es ausreichend in instyle, leute heute etc..



    millionäre sind nicht zwangsläufig intelligent, musikalisch relevant oder religiös erbaulich, ist dies die versteckte, mutige message?

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Wenn dich der Artikel nicht interessiert oder anspricht, verpflichtet dich niemand dazu ihn zu lesen. In einer geprinteten Zeitung oder auch anderen Lebensbereichen gibt es immer Dinge , die für manche Menschen von großem Interesse sind, dafür für andere aber uninteressant.

      Zum Artikel:



      Es mag vielleicht manchmal den Anschein haben, dass es in Deutschland keinen einzigen Kanye West „Fan“ gibt sondern lediglich Menschen, die sich über seine teils skurrilen Aussagen wundern und lustig machen.



      Dem ist nicht so, deshalb würde ich mich als Fan seiner Musik und der Person an sich freuen, wenn bei dem nächsten Artikel bzw. der nächsten Albumkritik die unseriöse Voreingenommenheit zumindest, bei dem Schreiben des Artikels ausgeblendet werden könnte. Auch die teils mangelhafte Recherche, welche nichtmal ansatzweise den Ansprüchen einer großen Zeitschrift wie der „taz“ genügen darf, sollte beim nächsten Mal verbessert werden.