Neues Album von Kanye West: Inspiriert von einer Lampe
Was ist bloß mit Kanye West los? Vor lauter Geniekult vergisst der Rapstar auf seinem neuen Album „Yeezus“, spannende Geschichten zu erzählen.
Die Macher der Comicserie „South Park“ wissen genau, wie sie ihre Stargäste mit einfachsten Mitteln in die Pfanne hauen können. Als die Comicversion des US-Rappers, Produzenten und Modedesigners Kanye West in der Folge „Fishsticks“ von keinem wirklich ernst genommen wird, ruft sie erbost: „Ich bin ein Genie, Alter! Ich bin die Stimme einer ganzen Generation!“ und lässt all jene verprügeln, die dies infrage stellen.
Der Realitätsbezug ist voll da, bei „South Park“, nur leider nicht beim Künstler selbst. Seit Wochen schon wird ein Bohei um „Yeezus“ gestrickt, das sechste Album von Kanye West. Bei Guerilla-Marketing-Aktionen wurde weltweit das Video zum Song „New Slaves“ an Hauswände projiziert.
Im Exklusivinterview mit der New York Times verglich Kanye West seinen Einfluss auf die Gegenwartskultur gar mit dem von Apple-Gründer Steve Jobbs und gab an, dass seine neuen Lyrics von einer Le-Corbusier-Lampe inspiriert seien. Nun ist „Yeezus“ endlich da, aber das radikale Kunstwerk, das man nach dieser Medieninszenierung erwarten würde, ist es beim besten Willen nicht geworden.
Die CD liegt in einer transparenten Hülle ohne Cover, nur ein Aufkleber mit kleiner Schrift verrät die Credits. Schon klar, die Musik soll im Zentrum stehen. Doch was sich hier in vollkommener Nacktheit präsentiert, ist ein verstörender Trip in die Paranoia und unbeholfene Leere eines Größenwahnsinnigen. „Ich bin nun an einem Punkt, an dem ich weiß, Radio ist nicht mehr mein Format“, lässt sich Kanye West im beiliegenden Waschzettel zitieren.
Verzicht auf Schönheit
Welcher der zehn Songs überhaupt ohne Vorwarnung der Öffentlichkeit präsentiert werden kann, bleibt fraglich. In Zeiten, in denen Rap-Talente wie Kendrick Lamar das lyrische Potenzial von Rap geistreich wiederbeleben, schlägt Kanye West stur die entgegengesetzte Richtung ein. Bar jeden Elans und komplett spaßbefreit gibt der Rapper Nonsens von sich. Er klingt weder smart, noch irgendwie spannend. Unentwegt kreist West um sich selbst, mal proklamiert er sich zum Schöpfer („I am a God“), mal zum dämonischen Sexgott („I’m in it“), dann wiederum sieht er sich als Opfer von selbstsüchtigen Bitches („Blood on the Leaves“). Das ist höchstens traurig, weil der Künstler es ernst zu meinen scheint. Am allerschlimmsten aber: Auf sprachliche Schönheit verzichtet Kanye West vollends.
Dabei war er es, der sich mit den ersten drei Alben (eine Trilogie bestehend aus „The College Dropout“, „Late Registration“ und „Graduation“) als durchaus versierter Reimer und vor allem als erfrischender Geschichtenerzähler aus der schwarzen Seele Chicagos profiliert hatte.
Danach folgte der mutige Bruch mit den Alben „808s & Heartbreak“ und „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“, bei denen die Form den Inhalt diktierte. Mit ihnen gelang es West, einen zukunftsweisenden Sound für US-HipHop zu finden.
„Yeezus“, das neue Werk, sollte nun das Meisterwerk werden. Herausgekommen ist eher eine Art unterbelichtete Messehalle, in der große Meister wie Hudson Mohawke ihre minimalistischsten Produktionen zur Schau stellen. Der kontroverse Protagonist glänzt weder durch Artifizialität, noch gibt er sich als Repräsentant einer Gesellschaftsschicht zu erkennen. Mittlerweile hängt der Sohn einer Literaturprofessorin und eines ehemaligen Black-Panther-Aktivisten etwa bei Modeschauen in Paris ab, ist mit der Königin des US-Trash-Reality-TV, Kim Kardashian, liiert und wurde vergangene Woche zum ersten Mal Vater.
Gewollter Radical Chic
So wie West selbst, scheint auch „Yeezus“ in der Luft zu hängen. Ansätze einer dezidierten politischen Meinung, wie sie Kanye West erstmals 2005 bei einem Benefizkonzert für die Opfer des Hurrikans „Katrina“ offenbarte – er sagte im Fernsehen live „George Bush doesn’t care about black people“ und sorgte damit für einen Skandal in den USA –, gibt es lediglich auf „New Slaves“, dem stärksten Stück des Albums. Es handelt von der ökonomischen Marginalität der afroamerikansichen Gemeinde.
Ein wunderbar simpler, quasi nicht existenter Beat löst sich in einem himmlischen Streichersample mit verfremdeten Stimmwellen des fantastischen Frank Ocean auf. Doch selbst dieses Stück verhunzt Kanye West zugunsten seiner unbedingt gewollten Radikalität: „Fuck you and your Hampton house / I’ll fuck your Hampton spouse / Came on her Hampton blouse / and in her Hampton mouth.“
Kanye West: „Yeezus“ (Def Jam/Universal)
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