Neues Album von Joan As Policewoman: Angelas Polizistin mit Herzschmerz

Großartiger Pop, gefeit gegen Schweigen und Tod: „Damned Devotion“, das neue Album der US-Musikerin Joan As Police Woman ist nun draußen.

Eine Frau sitzt in einem Polizeiauto

Joan Wasser fährt Streifenwagen Foto: Allison Michael Orenstein

Who the fuck is Angie Dickinson? TV-Nerds kennen die Antwort: eine US-Schauspielerin, die in den Siebzigern die Hauptrolle von „Make-up und Pistolen“ übernahm. Die Serie hatte in Deutschland nie den gleichen Status wie in den USA, wo sie unter dem Titel „Police Woman“ lief. Die Schauspielerin, die in dieser Rolle Minirock und Schlagring als Polizistin kombinierte, war ein Vorbild für die US-Musikerin Joan Wasser. „Kraftvoll und sexy“ zugleich sei ihr diese Heldin der Kindheit vorgekommen.

„Kraftvoll und sexy“, das traf damals schon auf ihr Debütalbum zu. Groovy und gleichzeitig sensibel sind die Songs der ausgebildeten Violinistin, seltsam erbauliche Stücke zwischen Pop und R&B. Vier Jahre hat die 47-jährige Joan Wasser im heimischen Studio herumprobiert, bis ihr neues Album „Damned Devotion“ Form angenommen hat.

„Ich habe so viel experimentiert wie noch nie, und die Demos niemandem vorgespielt“, sagt die Sängerin. Das Klangbild ist minimalistisch. Viel mehr als Drum Machines und Synthesizer braucht Wasser nicht, um ihre fein ausgetüftelten, elektronisch-melancholischen Kunstwerke zu fertigen.

Sie braucht ein Pferd

Ein Song wie „Steed“ mit seinen zackig synkopierten Rhythmen fällt durchaus nicht aus dem Rahmen, Wasser klingt hier mit Falsett-artigem Gesang und Synthie-Fanfaren wie Prince in düster. Die Künstlerin widmet das Stück dem französischen Romancier Jean Genet. Man möge ihr einen Münzpräger finden, der ihr einen goldenen Widder gieße, singt Wasser kryptisch, um dann im Refrain mit unverhohlener Wollust ein Pferdchen einzufordern: „Baby won’t you buy me a steed / you better get ready yeah“.

Joan Wasser ist politisch auch über die Belange der USA hinaus interessiert. Sie hatte davon gehört, wie schwer es der bundesdeutschen Kanzlerin Angela Merkel bei den Koalitionsverhandlungen gemacht wird. „Is Merkel gonna be kicked out?“, fragt Wasser gleich zu Beginn des Interviews und gibt sich empört. Ob man die Politikerin loswerden wolle? Offensichtlich genießt Angela Merkel auf der anderen Seite des Atlantiks bei engagierten Linken Kultstatus.

Der Titelsong, ein elektronischer Pop-Schwofer, dauert knapp drei Minuten, Joan As Police Woman verflucht darin die „verdammte Hingabe“, die ihr privates wie berufliches Leben prägt

Zutiefst politisch ist der Text ihres mit spröden Beats garnierten Songs „The Silence“, für den Wasser Sprechchöre („My Body My Choice“) vom Washingtoner Women’s March im Januar 2017 gesampelt hat. Ihre These: Es ist das Schweigen, das die Klinge stumpf macht. Hilft es denn überhaupt, in einer Welt die Stimme als Waffe einsetzen zu wollen, in der das gesprochene und geschriebene Wort nicht mehr viel gilt?

Reden hilft gegen Missstände

Wasser seufzt: „Wir in der industrialisierten Welt haben, dank des technischen Fortschritts, ein ungekanntes Level an Komfort erreicht. Viele können nicht umhin, sich zurückzulehnen. Wissenschaft hat in den USA heute den Stellenwert von Astrologie. Aber wenn ich nicht daran glauben würde, dass das Reden über Missstände hilft, dann müsste ich die Hoffnung ganz aufgeben.“

Kummer ganz anderer Art hat Joan Wasser bereits erlebt: Im Mai 1997 verlor sie ihren Lebensgefährten, den postum zu Weltruhm aufgestiegenen Sänger Jeff Buckley, der im Mississippi-River ertrank. Und seit der Veröffentlichung ihres letzten Albums „The Classic“ (2013) starben ihre beiden Väter – Wasser wurde als Säugling adoptiert. Die Künstlerin spricht über die Unmöglichkeit, den Tod beim Komponieren auszuklammern. „Die Fragen, die ich diesen Menschen hätte stellen wollen, aber nie den Mut dazu hatte, werden mich für immer begleiten.“ In „What Was it Like“ besingt sie das Gefühl, ihren Vater nie wirklich gekannt zu haben: „You were always there for me / But what was it like to be you?“

Joan As Policewoman: „Damned Devotion“ (PIAS/Rough Trade)

live: 9. April, „Festsaal Kreuzberg“, Berlin

Auch davor, klassischen Liebeskummer in Songs zu thematisieren, hat Wasser keine Scheu. Sie tut das im großartigen, auf die Essenz reduzierten elektronischen Pop-Schwofer „Damned Devotion“. Der Titelsong dauert knapp drei Minuten, sie verflucht darin die „verdammte Hingabe“, die ihr privates wie berufliches Leben prägt: „Es geht darum, die Balance zu finden. Nicht obsessiv, aber eben auch nicht zynisch zu werden. Ich werde wieder von der Liebe enttäuscht werden. Aber völlig in etwas zu versinken macht das Leben doch erst lebenswert.“

So ist vermutlich auch der Satz im Album-Booklet zu erklären, in dem die Sängerin all denen dankt, die einmal ihr Herz gebrochen haben. Sie wünsche sich eine Alarmglocke für solch unvermeidliche Enttäuschungen, singt sie im vorab veröffentlichten „Warning Bell“. Im Video zum Song wirft sie einen Rosenstrauß aus dem Autofenster. Joan Wasser ganz verwundbar, den Verlust eines Geliebten betrauernd, den sie nicht hat kommen sehen. Denn da war ja diese sanfte Musik, die sie abgelenkt hat: „All I hear is music soft and low.“

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